Schäden durch Erdbeben in japanischem Atomkraftwerk

Japan: Atomanlage bleibt nach Erdbeben vorläufig abgeschaltet

Das bei einem Erdbeben beschädigte japanische Atomkraftwerk Kashiwazaki wird nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) für Monate abgeschaltet bleiben.

Das Kashiwazaki-Kraftwerk im Zentrum von Japan war am 16. Juli durch ein Beben der Stärke 6,8 auf der Richter-Skala beschädigt worden, dessen Epizentrum nur neun Kilometer entfernt lag. Dabei lief radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer.
Die Betreiberfirma Tokyo Electric Power (Tepco) räumte ein, dass die größte Atomanlage der Welt mit ihren sieben Reaktoren nicht konzipiert wurde, um solch starken Beben standzuhalten.

Erst am Tag nach dem schweren Erdbeben in Japan wurde das Ausmaß der Schäden am Atomkraftwerk von Kashiwazaki deutlich. Unmittelbar nach dem Beben hatte die Betreiberfirma Tokyo Electric Power (Tepco) noch wissen lassen, dass man die Lage unter Kontrolle habe und den Brand an einem Transformator schnell gelöscht habe. Auch sonst wiegelte man ab: Zwar sei radioaktives Wasser ausgelaufen und teilweise ins Meer gelangt, doch habe die Strahlung unterhalb der gesetzlichen Grenze gelegen.

Tage darauf musste die Betreiberfirma zugeben, dass ein weiteres Leck aufgetreten ist. Daraus seien radioaktive Substanzen wie Chrom 51 und Kobalt 60 ausgetreten, hieß es auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Zudem wurde bekannt, dass rund hundert Fässer mit schwach radioaktivem Müll umgefallen waren. Einige der Fässer wurden mit offenen Deckeln gefunden. Doch liege die Konzentration unter der Sicherheitsgrenze, versicherte Tepco erneut.

Nicht nur die zähe Informationspolitik des Energiekonzerns, sondern auch seine Beteuerung, auf ein so starkes Erdbeben nicht vorbereitet gewesen zu sein, sorgen für Kritik. Schließlich bebt in Japan die Erde mindestens alle fünf Minuten; das Land ist von jedem fünften Erdbeben auf der Welt betroffen.

Die sieben Reaktoren der Anlage waren nach dem Beben der Stärke 6,8 automatisch heruntergefahren worden. Der Präsident von Tepco wurde daraufhin ins Wirtschaftsministerium zitiert, dem die Behörde für Reaktorsicherheit unterstellt ist. Dort wurde er angewiesen, das Atomkraftwerk so lange nicht in Betrieb zu nehmen, bis die Sicherheit gewährleistet sei. Kritik an der Informationspolitik von Tepco kam auch von Ministerpräsident Shinzo Abe, der dem Konzern vorwarf, die Öffentlichkeit "zu langsam" informiert zu haben.

Berichten eines japanischen Fernsehsenders zufolge hatten die Mitarbeiter des AKW zunächst selbst versucht, den Brand mit Wasser zu löschen, erst später dämmte die Feuerwehr das Feuer mit Chemikalien ein. Wann die Anlage wieder ans Netz geht, ist unklar.

Tepcos Reaktor Kashiwazaki in der Provinz Niigata ist eine der größten Atomanlagen der Welt. Die dortigen sieben AKWs haben eine Bruttoleistung von zusammen 8.000 Megawatt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Tepco, der japanische größte AKW-Betreiber, wegen der Vertuschung von Informationen in der Kritik steht. Im Jahr 2002 musste das Unternehmen zugeben, dass offenbar jahrelang Berichte über Risse in Atomreaktoren, unter anderem in Reaktordruckbehältern, gefälscht worden waren. Als Konsequenz aus dem Skandal traten mehrere führende Manager der Firma zurück.

Die Japaner dürfte der neue Atom-Unfall auch an den GAU in der japanischen Geschichte erinnern, der erst acht Jahre zurückliegt. Im September 1999 starben zwei Arbeiter bei einer Kettenreaktion in einer Uranverarbeitungsanlage in Tokaimura. Hunderte Menschen wurden verstrahlt.

Beobachter sehen in der mangelnden staatlichen Kontrolle die Ursache für die vielen Unfälle. "Seit über zwanzig Jahren sehen wir ein Versagen der staatlichen Aufsicht über die Atomindustrie, die nach wie vor nicht in der Lage ist, ihrer Selbstkontrolle ausreichend nachzukommen".

Der neuerliche Unfall dürfte zwar die Diskussionen über die Reaktorsicherheit in Japan, das ein Drittel seines Stroms aus Kernenergie gewinnt, neu entfachen. Trotz der Unfälle der vergangenen Jahre hat das rohstoffarme Land unbeirrt an seiner Energiepolitik festgehalten.
Bis zum Jahr 2010 soll der Anteil von Atomstrom auf vierzig Prozent ausgebaut werden. 13 neue Atomreaktoren sind derzeit in Planung.