01.08.2011
Höchste Radioaktivität in Fukushima seit Beben

Erschreckende Strahlungswerte im japanischen Unglücksmeiler Fukushima.

Atomlobby will Ökostromförderung
Quelle: Die Presse vom 13.04.2012

Großbritannien, Frankreich, Polen und Tschechien fordern gleiche Subventionen für Atomkraft in der EU wie für erneuerbare Energien.

Ein Jahr nach Fukushima wittern die Befürworter der Kernkraft wieder Morgenluft. Wenige Tage vor dem informellen Energieministertreffen im dänischen Horsens fordern Großbritannien, Polen, Frankreich und Tschechien, Nuklearenergie genauso zu fördern wie Wind- und Solarkraftwerke. Just jene vier Mitgliedsländer, die derzeit Atomkraftwerke bauen oder planen.

Brüssels Vorhaben, bis 2050 de facto keine Treibhausgase mehr zu emittieren, müsse „technologieneutral“ umgesetzt werden, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ aus dem Positionspapier der vier Regierungen. Kernkraft müsse als „emissionsarme“ Technologie eingestuft werden. Nur dann hätten die Atomstromproduzenten Aussicht auf ähnliche staatliche Förderungen wie Ökostromproduzenten.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger zeigte sich am Freitag „zurückhaltend“. Ein Sprecher der Kommission stellte klar: „Die Kommission finanziert nicht den Bau neuer Atomkraftwerke in Europa. Für die Zukunft müssen wir die Diskussion der Mitgliedstaaten abwarten. Kernenergie ist und bleibt eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.“ Damit bezog sich der Sprecher auf den Grundsatz, dass die EU-Staaten selbst über die Wahl ihrer Energieträger entscheiden. Auf den Punkt gebracht kann also „die EU“ Österreich nicht vorschreiben, den Bau von Atomkraftwerken zuzulassen (umgekehrt kann Österreich das in anderen EU-Staaten nicht verhindern).

Fixe Einspeisetarife für AKW?

Prinzipiell baut die EU auch weiterhin auf die Kernenergie. Bis 2050 könnten bis zu 40 neue Atomkraftwerke gebaut werden, heißt es etwa im Energiefahrplan 2050 der EU. Das Problem: Ohne staatliche Förderungen rechnet sich das nukleare Geschäft einfach nicht. Daher zielt der Vorstoß der vier Staaten in erster Linie auch auf das Wettbewerbsrecht und weniger auf die Umwelt- oder Energiepolitik ab. Denn wenn sie selbst Atomkraftwerke mit Steuergeld subventionieren wollen, müssen sich die Staaten an die Wettbewerbsregeln der EU halten. Diese sehen unter anderem vor, dass große nationale Subventionen nur erlaubt sind, wenn die damit geförderten Zwecke den Interessen der EU dienen – Atomenergie also etwa als „emissionsarm“ eingestuft wird.

Derzeit sucht London etwa noch vergebens nach Unternehmen, die den geplanten Bau von vier Kernreaktoren finanzieren wollen. Würde Nuklearenergie mit alternativen Energieformen gleichgestellt, könnte die britische Regierung ihren Plan wahrmachen und den AKW-Betreibern garantierte Einspeisetarife anbieten, ähnlich wie bei den Produzenten von Wind- und Solarstrom.

45 Mrd. Dollar Atomförderung

In Österreich geht die Diskussion über Atomstrom unterdessen in die entgegengesetzte Richtung. Am kommenden Montag sollen am dritten Anti-Atom-Gipfel Wege gefunden werden, wie der Import von Nuklearenergie ausgeschlossen werden könne. Die Umweltschutzorganisationen hoffen, dass die Regierung erst eine Stromkennzeichnungspflicht und dann ein Importverbot für Atomstrom beschließt. „Wir werden den NGOs entgegenkommen“, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. Ein komplettes Importverbot ist aber unwahrscheinlich. Nach Ansicht der EU-Kommission wäre es mit dem Unionsrecht nicht vereinbar.

Zur Frage der Förderung von Atomkraftwerken wollte sich das Wirtschaftsministerium nicht äußern. Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) war da auskunftsfreudiger: „Ein Einsatz von Steuergeldern für die Errichtung von Atomkraftwerken ist für mich eine Investition in eine Todesenergie und ausgeschlossen“, sagte er.

Ganz ohne Subventionen muss die Atomindustrie freilich schon heute nicht auskommen. Im Jahr 2007 gingen weltweit etwa 45 Mrd. Dollar an öffentlichen Mitteln an die Atomindustrie, schätzt die Internationale Energieagentur (IEA). Ökostrombetreiber erhielten 27 Mrd. und Öl- und Gaskonzerne 130 Mrd. Dollar. Für die zivile Atomforschung wurden 2008 laut IEA 5,5 Mrd. Euro Steuergelder bereitgestellt. Für Forschung an alternativen Energieformen 1,75 Mrd. In der EU geht ein Drittel der öffentlichen Energieforschungsmittel in die Atomkraft.

Ob dem Interesse der EU, bis 2050 so gut wie keine Treibhausgase mehr auszustoßen, durch die Gleichsetzung der Kernkraft mit erneuerbaren Energieformen gedient ist, wird spätestens im Juni beantwortet. Denn da sprechen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel das letzte Wort.

EU-Förderung für Atomkraft?

Vier Länder Europas fordern einem Bericht der "Süddeutsche Zeitung" zufolge, dass die EU Nukleartechnik genauso wie Wind- und Solaranlagen fördert. Großbritannien, Frankreich, Polen und Tschechien wollen die Atomkraft ausbauen und diese ähnlich wie erneuerbare Energien subventionsfähig machen. Die Zeitung beruft sich auf Schreiben der vier Regierungen, die diese in Vorbereitung eines Treffens der europäischen Wirtschafts- und Energieminister Ende kommender Woche nach Brüssel geschickt hätten.

Die vier Staaten fordern, AKW als "emissionsarme" Technologien einzustufen - ähnlich wie Solaranlagen und Windkraftwerken. Wenn sie sich durchsetzen, könnte mittelfristig sowohl der Bau von Atomkraftwerken als auch der Verkauf von Atomstrom selbst gefördert werden - ähnlich wie bei erneuerbaren Energien, berichtete die Zeitung.

Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich (V) lehnt die Forderung der vier Länder als "Hohn" ab. "Wer nach (den Atomkatastrophen in) Tschernobyl und Fukushima noch nicht kapiert hat, dass Atomkraftwerke tickende Zeitbomben sind, ist ignorant und gemeingefährlich", hieß es in einer Aussendung.

"Investition in Todesenergie"

Die Forderung nach Subventionen sei laut Berlakovich "der Beweis, dass Atomkraft ein Verlustgeschäft ist" - entgegen anderweitiger Beteuerungen der Atomindustrie. "Ein Einsatz von Steuergeldern für die Errichtung von Atomkraftwerken ist für mich eine Investition in eine Todesenergie und ausgeschlossen", betonte der Umweltminister. Vielmehr müsse in erneuerbare Energien investiert werden. Er hoffe darauf, "dass die Forderung Großbritanniens, Frankreichs, Polens und Tschechiens innerhalb der EU eine Minderheitenposition bleiben wird". Berlakovich hat nach eigenen Angaben EU-Energiekommissar Günther Oettinger in einem Schreiben aufgefordert, eine Diskussion über die Forderung "gar nicht erst zu starten".

"Derzeit" kein Geld der EU-Kommission

Die EU-Kommission werde "derzeit" den Bau neuer Atomkraftanlagen in der Europäischen Union weder finanzieren, noch kofinanzieren, erklärte ein Sprecher der Kommission in Brüssel. Es handle sich beim Energiemix, den ein Land umsetze, um die Kompetenz des entsprechenden EU-Staates. "Atomenergie ist ausschließliche Angelegenheit der Mitgliedstaaten."

Gleichzeitig verwies der Sprecher darauf, dass sich die Haltung der Kommission bezüglich der finanziellen Unterstützung von Kernkraftbauten ändern könnte. Es komme auf die Haltung der EU-Länder an. "Dann werden wir eine Einschätzung geben." Auf die Frage, wie es mit Förderungen für Atomenergie seitens der Brüsseler Behörde aussehe, gab sich der Sprecher zurückhaltend. Derzeit gebe es keinen Fall, und über künftige mögliche Anträge wolle er nicht spekulieren.