Warum asiatische Urwälder für deutschen Strom sterben müssen

Als Alternative zu Benzin aus Erdöl bietet sich demnächst auch in Österreich eine Tankfüllung Ethanol an

Palmöl aus Asien ist erheblich günstiger als heimisches Rapsöl. Daher kommen deutsche Kraftwerks-Betreiber nicht umhin, Palmöl in zu importieren. Die große Nachfrage nach billiger Biomasse führt zum Raubbau am Regenwald - und das macht Umweltschützer wütend.

Zwischen dem niedersächsischen Uelzen und Kuala Lumpur liegen 9835 Kilometer. Doch für Stadtwerke-Chef Markus Schümann ist kein Weg zu weit, wenn es um die Umwelt und den Ruf seines Hauses geht: Im November schickte Schümann gleich zwei Mitarbeiter auf die Südhalbkugel, um eine Ölpalmen-Plantage nahe der malaysischen Hauptstadt inspizieren zu lassen. Vier Tage lang begutachteten die Emissäre aus der Lüneburger Heide die ökologische Qualität der tropischen Palmenhaine, forschten nach etwaiger Kinderarbeit bei der Ölernte und kehrten mit einer beruhigenden Botschaft ins nebelkalte Niedersachsen zurück: "Brennstofflieferant unbedenklich."

Regenwald

Die Ernte gehört nicht in den Tank

Uelzens Stadtwerke-Chef Schümann war bis dahin einigen Kummer gewohnt: Weil er ein Blockheizkraftwerk auf Palmölbasis betreibt, hatte er sich massiven Ärger mit grünen und sozialdemokratischen Umweltpolitikern eingehandelt. Die geben Biomasse-Importen nämlich grundsätzlich eine Mitschuld an immer neuen Urwald-Rodungen in Asien, Afrika und Lateinamerika. Regenwaldschützer bombardierten die Stadtwerke mit E-Mails und machten mit Anzeigenkampagnen Stimmung gegen den Pflanzenöl-Importeur. In einer Zeitungsanzeige der Organisation "Rettet den Regenwald" flegelt sich ein junger Orang-Utan in einer Baumkrone: "Eure Biomasse", steht in der Sprechblase des Affen, "ist mein Zuhause."

Mehr als 4000 Tonnen Palmöl lassen sich die Stadtwerke Uelzen jährlich vom malaysischen Plantagen-Konzern IOI liefern.
Alle zwei bis drei Tage schickt eine Lagergesellschaft aus dem Hamburger Hafen einen 20-Tonnen-Tanklastzug in das 36 000-Einwohner-Städtchen an der Ilmenau. Dort dient das tropische Pflanzenöl als Kraftstoff für einen alten umgebauten Schiffsdieselmotor mit 1200 PS, der in einer Maschinenhalle unter ohrenbetäubendem Krach einen Stromgenerator antreibt. "Würden wir Rapsöl von den Landwirten aus der Umgebung einsetzen", sagt Schümann, "wäre diese Anlage nicht wirtschaftlich."

Dabei verdient der Stadtwerke-Chef mit seinem "Blockheizkraftwerk" eigentlich gutes Geld. Denn der Schiffsdiesel versorgt nicht nur 2500 Haushalte in Uelzen mit Strom: Der benachbarte Molkerei-Konzern Uelzena nutzt die Abwärme des Kraftwerks, um Milch- und Cappuccino-Pulver herzustellen. Und solche "Kraft-Wärme-Kopplung" (KWK) die auch die Abwärme der Stromherstellung verwertet, wird von der Bundesregierung finanziell gefördert. Bis zu 17 Cent pro Kilowattstunde erhalten die Stadtwerke für jede eingespeiste Kilowattstunde vom Netzbetreiber, und damit indirekt vom Stromverbraucher - dem Erneuerbaren Energien-Gesetz sei Dank. An der Strombörse EEX wären die Stadtwerke ihre Elektrizität sonst nur für höchstens die Hälfte dieses Preises losgeworden. Dumm nur, dass die deutsche Biomasse inzwischen so teuer geworden ist. Weil die Bundesregierung die Beimischung von Biokraftstoff zum Diesel zur Pflicht gemacht hat, können die heimischen Landwirte ihr Rapsöl inzwischen schon für mehr als 750 Euro pro Tonne an die Mineralölkonzerne verkaufen. Ein Preis, der die Wirtschaftlichkeit von Biomasse-Elektrizitätswerken trotz höchster EEG-Vergütung sprengt. "Rapsöl ist eineinhalb mal teurer", weiß Uelzens Stadtwerke-Chef Schümann. Zum Import von Palmöl gebe es daher vorerst "keine Alternative."

Weil die Wirtschaftlichkeit so wieder stimmt - und weil die Stromerzeugung mit Kraft-Wärme-Kopplung sogar ein Kernstück der deutschen Klimaschutzpolitik ist - erleben Biomasse-Kraftwerke derzeit einen Boom. Pflanzenöl-Kraftwerke sind im besonders beliebt, weil die Umrüstung im Vergleich zu Biogas- oder Holzschnipsel-Kraftwerken günstig ist und der Umgang mit dem Kraftstoff als unproblematisch gilt. Wurden 2003 nur rund 130 Pflanzenöl-Kraftwerke in Deutschland betrieben, waren es Anfang 2006 deshalb bereits mehr als 700. "Gerade Stromversorger und Industrie-Unternehmen haben ein großes Interesse an solchen Anlagen", heißt es in einem Monitoring-Bericht des Bundesumweltministeriums zum Erneuerbare Energien-Gesetz. Die deutschen Importe von Palmöl haben sich seit 2000 auf gut 800 000 Tonnen pro Jahr mehr als verdoppelt. Die Anlagen werden auch immer größer: Die Stadtwerke Schwäbisch Hall nahmen gerade ein Kraftwerk in Probebetrieb, das mit fünf Megawatt Leistung mehr als doppelt so groß ist wie die Uelzener Anlage. Für den Betrieb in den ersten beiden Jahren hat Stadtwerke-Chef Johannes van Bergen bereits 15 000 Tonnen Palmöl in Malaysia geordert. In Emden denkt man gar daran, gleich 30 einzelne Blockheizkraftwerke dieser Größe in einer Maschinenhalle zu bündeln. Der Standort im Emdener Hafen wurde auch gewählt, weil die Palmöl-Tanker aus Übersee dann am Kai direkt neben dem Kraftwerk festmachen können.

Ernst Schrimpff, der Vorsitzende des Bundesverbandes Pflanzenöle glaubt zwar, "dass immer noch ein ökologischer Vorteil übrig bleibt", wenn deutsche Kraftwerksbetreiber Palmöl über fast 10 000 Kilometer Distanz heranschaffen. Doch diese Sicht ist umstritten. Der OECD-Direktor für Handel und Landwirtschaft, Stefan Tangermann, hält die Ökobilanz von Biokraftstoffen generell jedenfalls für "mehr als ernüchternd". Seiner Schätzung nach müssten 80 Prozent der gewinnbaren Öko-Energie zunächst in Form fossiler Energie für Dünger, Ernte und Transport investiert werden.
Aber nicht nur das zehrt ein Gutteil der positiven Ökobilanz der tropischen Biomasse wieder auf. Abzuziehen ist auch, dass Palmöl während Transport und Lagerung bis zum Einsatz im Kraftwerk konstant auf über 34 Grad Celsius gehalten werden muss. "Sonst wird da Palmin draus", sagt der Kraftwerksexperte des Maschinenbau-Verbandes VDMA, Gerd Krieger: "Und das taugt dann nur noch als Brotaufstrich."

Tankstelle

Wenn das Öl dann auch noch von Plantagen stammt, für die Regenwald gerodet wurde, ist es mit dem Ökovorteil natürlich ganz vorbei. Indonesien und Malaysia decken 80 Prozent des weltweiten Bedarfs an Palmöl. Brandrodungen im Urwald sind an der Tagesordnung. Laut einer aktuellen Studie der Investmentbank Lehman Brothers ist Waldrodung nach der Stromproduktion inzwischen die zweitgrößte Quelle für Kohlendioxid-Emissionen in der Welt. Insgesamt 18 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen gehen auf Entwaldungen zurück - und Indonesien allein sei für ein Drittel davon verantwortlich.
Aus diesem Grund hat Reinhard Behrend, Vorsitzender des Vereins "Rettet den Regenwald" dafür gesorgt, dass die Computer der Stadtwerke Schwäbisch Hall im Dezember vergangenen Jahres mit mehr als 12 000 E-Mails verstopft wurden. Die Betreffzeile lautete stets gleich: "Stadtwerke Schwäbisch-Hall verheizen Orang-Utan-Wald." Stadtwerke-Chef Johannes van Bergen hält das für eine unfaire Kampagne: "Wir wollen natürlich auch nicht, dass Regenwälder abgeholzt werden."
Rund 7,5 Mio. Euro hat van Bergen in eine neue "Pflanzenölverstromungsanlage" investiert, die den Anteil erneuerbarer Energien in Schwäbisch Hall auf 22 Prozent katapultieren soll. Er sieht nicht ein, dafür jetzt genau von jenen Öko-Parteien und Naturschutzverbänden Prügel zu beziehen, die dem Erneuerbare Energien-Gesetz zugestimmt haben und damit auch dem Einsatz von Pflanzenöl aus dem Ausland: "Jetzt plötzlich nicht mehr wissen zu wollen, was man vor wenigen Jahren noch für gut befunden hat, wirft ein negatives Bild auf die Kampagne, die jetzt entfacht wird."

Weil van Bergen selbst "erschüttert" ist von den Brandrodungen in Asien, ist er genau so wie sein Uelzener Kollege Schümann sofort dem "RSPO" beigetreten. Der "Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl" ist eine internationale Organisation, der auch der World Wildlife Fund (WWF) angehört. Die Mitglieder des RSPO, sowohl Produzenten als auch Abnehmer, verpflichten sich Palmöl stets nach einwandfreien ökologischen und sozialen Richtlinien herzustellen und zu verwenden. Schwäbisch-Hall, betont Stadtwerke-Chef van Bergen, bezieht Palmöl nicht aus den Brandrodungsgebieten, "sondern nur aus Altplantagen in der Nähe von Kuala Lumpur."

Rapsfeld

Doch damit lassen sich die Kritiker nicht beruhigen. Denn auch der WWF gesteht zu, dass der "Runde Tisch" bislang noch keine einzige Plantage zertifiziert hat. Die Organisation formuliere bislang lediglich Kriterien und Standards einer nachhaltigen Palmöl-Produktion, betont WWF-Regenwald-Experte Markus Radday: "Die Mitgliedschaft im RSPO ist noch kein Freibrief für Kraftwerksbetreiber."
Regenwaldschützer Behrend vermutet zudem, dass Plantagen-Besitzer immer nur Teilbestände der wählerischen Kundschaft aus Deutschland widmen, und für den Bedarf anderer Länder eben woanders Raubbau am Regenwald betreiben. "Das Problem", bemerkt Behrend, "ist die gewaltige Nachfrage nach billiger Biomasse an sich."
Das glauben inzwischen auch Bundespolitiker. Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn fordert für Palmen-Plantagen inzwischen "eine international anerkannte Zertifizierung mit ökologischen und sozialen Kriterien."
Weil eine solche Zertifizierung aber noch nicht absehbar ist, entschloss sich Stadtwerke-Chef van Bergen, der auch Präsident des "Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung" (BKWK) ist, zur Flucht nach vorn: Gemeinsam mit anderen betroffenen Stadtwerken, wie etwa Uelzen, will er nun selbst Ölpalmen im Ausland pflanzen. "Wir wollen Grundbesitzer werden." Zurzeit lasse er den Kauf von Plantagen in Ghana, Elfenbeinküste und Kolumbien prüfen, auf denen ökologisch einwandfreies Öl geerntet werden soll. "100 bis 200 Arbeitskräfte", rechnet van Bergen vor, "könnten jährlich 50 000 Tonnen Palmöl für den Bedarf mehrerer deutscher Stadtwerke produzieren." Eine eigene Raffinerie im Hamburger Hafen zur Aufbereitung des Grundstoffs sei dann auch noch drin, so van Bergen.