Ölpreis wird auf 200 Dollar steigen
03.01.2008 | Jakob Zirm, Stefan Riecher und Martin Kugler (Die Presse)

Die unsichere politische Lage, der schwache US-Dollar sowie Spekulationen treiben den Preis.

Am Mittwoch um 18:15 Uhr mitteleuropäischer Zeit war es soweit: Der Ölpreis der US-Marke WTI übersprang in New York erstmals die Schwelle von 100 Dollar je Fass (159 Liter), die „Presse" berichtete in einem Teil der gestrigen Ausgabe. Erwartet wurde dieser Moment bereits seit längerem. Seit Jahresanfang 2007 ist der Preis bereits um 57 Prozent angestiegen. Aus dem nachhaltig hohen Ölpreisniveau ergeben sich Fragen für Wirtschaft und Konsumenten: Wie wird sich der Ölpreis in Zukunft entwickeln?

Er wird weiter ansteigen. Darüber sind sich nahezu alle Experten einig, zumindest wenn es um langfristige Prognosen geht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erwartet einen Ölpreis von 200 Dollar in zehn Jahren. Auch das Institut für Weltwirtschaft in Frankfurt hält diesen Wert für realistisch. Bei kurzfristigen Prognosen sind sich die Experten weniger einig, doch auch auf Jahresfrist erwarten viele einen Preisanstieg.

Der Ölpreis steigt aber manchmal fällt er sogar.

Ölpreisentwicklung-3-Jahre

Was sind die Gründe für den bisherigen Anstieg?

Es gibt mehrere Ursachen, die ineinander spielen. Einer dieser Faktoren ist der schwache US-Dollar. Da Öl in Dollar gehandelt wird, wollen die Ölproduzenten durch Preissteigerungen ihre Verluste gegenüber anderen Währungen wettmachen. Zusätzlich wird der Ölpreis auch von Spekulationen an den Warenbörsen angetrieben. Ebenso Einfluss hat die unsichere politische Lage im Nahen Osten und anderen wichtigen Öl-Exporteuren wie Nigeria. Der jüngste Anstieg seit Mitte Dezember dürfte vor allem auf die Unruhen in der Atommacht Pakistan zurückzuführen sein. Die Angst vor Förderausfällen wird durch die Ausdünnung der globalen Ölreserven verstärkt.

Welche Auswirkungen hat der hohe Ölpreis auf die Konjunktur?

Bislang galt unter Ökonomen die Faustregel, dass ein Anstieg des Ölpreises um zehn Dollar das Wirtschaftswachstum um 0,1 bis 0,2 Prozent schwächt. Diese Regel hat sich angesichts der jüngsten Preissteigerungen jedoch nicht ganz bewahrheitet. So hat das Wifo berechnet, dass der Anstieg von 38 auf 72,5 Dollar im Jahresschnitt zwischen 2004 und 2007 lediglich 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr gekostet hat. Auch die globale Wirtschaft verträgt den aktuellen Ölpreisanstieg besser als die Ölschocks der 70er- und 80er-Jahre. Grund ist die geringere Abhängigkeit vom Öl. Heute braucht es nur noch die halbe Ölmenge, um dieselbe Wirtschaftsleistung wie in den 70er-Jahren zu erwirtschaften.

Wer sind die größten Profiteure des hohen Ölpreises?

In erster Linie verdienen die Öl-Verkäufer, etwa Saudiarabien und Kuwait, aber auch Russland, Venezuela oder der Iran. In Europa und den USA profitieren vor allem die großen Ölkonzerne, zum Beispiel Exxon, BP, Chevron und Shell. Doch auch der Staat verdient mit: Denn durch den höheren Ölpreis steigen die Preise für Benzin und Diesel – und somit die Mehrwertsteuereinnahmen des Staates. An der Mineralölsteuer verdient der Fiskus allerdings nicht mehr. Sie ist ein absoluter Betrag je Liter.

Profitieren alternative Energieträger vom hohen Ölpreis?

Mit Heizöl zu heizen ist mittlerweile deutlich teurer als mit Gas oder mit Biomasse. Mit steigendem Strompreis werden auch Ökostromanlagen, vor allem Windräder, bald kostendeckend. Neue Technologien versprechen viel kostengünstigere Alternativen.

Welche Auswirkungen werden an der Zapfsäule zu spüren sein?

Die Preise von Benzin, Diesel oder Heizöl folgen direkt den Entwicklungen an den Rohölmärkten – oder übertreffen diese sogar. So stieg der Preis für Heizöl in Rotterdam seit Jahresanfang 2007 um über 90 Prozent auf 860 Dollar je Tonne. An der Zapfsäule spürt der Konsument die Anstiege weniger, da der Endverbraucherpreis auch Steuern und andere Abgaben enthält, die nicht prozentuell auf den Nettopreis aufgeschlagen werden.

Was bedeutet das Ganze für den Gaspreis?

Für Gas gibt es keinen eigenen Markt. Der Gaspreis ist in langfristige Verträgen zwischen der OMV-Tochter Econgas und den Produzenten – vornehmlich der russischen Gazprom – festgelegt. Dabei sind Klauseln enthalten, wonach der Gaspreis mit einer Verzögerung von vier bis sechs Monaten dem Ölpreis folgt. Daher dürfte es auch beim Gas zu Preissteigerungen kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2008)