Diesel treibt den Ölpreis nach oben
28.05.2008 | JAKOB ZIRM (Die Presse)

Es ist genug Öl auf dem Markt. Dennoch befinden sich Öl- und Benzinpreise auf Rekordjagd. Obwohl die Förderung kaum teurer wurde, heizen Spekulationen sowie die Nachfrage aus China und Indien die Preise an.

Noch vor fünf Jahren lag der Ölpreis unter 30 Dollar je Fass (159 Liter) und ermöglichte günstige Transporte sowie preiswerte Heizenergie. Inzwischen kostet das Schwarze Gold mehr als viermal so viel. Da auch an den Tankstellen die Preise explodieren, werden täglich neue Forderungen nach Steuersenkungen oder staatlichen Preisgrenzen laut. ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel forderte nun eine europaweite Spekulationssteuer für Erdöl-Spekulationen. Warum kostet Öl so viel, welche Branchen leiden besonders und welche Alternativen gibt es?

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1. Was sind die Gründe für den hohen Preis von Erdöl?

Experten suchen nach einer Begründung für die Preissteigerung. Bislang stellten sich viele Theorien im Nachhinein als falsch heraus. So brachten weder das Ende der Heizperiode noch eine kurzzeitige Erholung des US-Dollars eine Trendwende beim Ölpreis. Sicher ist, dass Spekulanten den Ölpreis für sich entdeckt haben und die Nachfrage aus China und Indien steigt. Auf dem Markt ist aber genügend Öl, um den Bedarf zu decken.

Laut dem Energie-Experten Johannes Benigni wird der Ölpreis vom Diesel getrieben. Denn von diesem sei zu wenig auf dem Markt. Und sobald der Preis für ein Ölprodukt steigt, ziehe es den Preis für Rohöl mit nach oben.

2. Wie wird sich der Preis in Zukunft entwickeln?

Auch wenn es immer wieder kurzfristige Entspannungen geben wird, zeigt die Tendenz nach oben. Die Opec „gewöhnt“ sich nämlich auch an die hohen Preise und dürfte auf einen Preisverfall mit Förderkürzungen reagieren. Internationale Analysten sehen den Ölpreis bereits im kommenden Jahr bei 200 Dollar je Barrel.

3. Was kostet es die Konzerne, ein Fass Öl zu fördern?

Das hängt sehr stark davon ab, wo gefördert wird. In Saudiarabien liegen die Förderkosten laut Internationaler Energie Agentur (IEA) zwischen 15 und 20 Dollar je Fass. Aber selbst die teurere Offshore-Förderung kommt kaum auf über 50 Dollar je Fass.

4. Wer verdient in erster Linie an den hohen Preisen?

Es bewahrheitet sich eine alte Weisheit: Wer ein Ölfeld hat, wird reich. Ölkonzerne, die in der Förderung stark sind, verdienen deshalb besonders gut an den hohen Preisen. Exxon, BP und Shell können sich über Rekordgewinne freuen. Auch die heimische OMV erzielte im Vorjahr mit fast 1,6 Milliarden Euro Gewinn ihr fünftes Rekordjahr in Folge. Noch größere Profite als die internationalen Öl-Multis erzielen aber zunehmend die staatlichen Ölgesellschaften von Ländern wie Saudiarabien, Russland, Venezuela oder dem Iran.

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5. Inwieweit profitiert der Staat von den hohen Preisen?

Die Mehrwertsteuer wird prozentuell auf den Nettopreis des Treibstoffes (inklusive Mineralölsteuer) aufgeschlagen. Erhöht sich der Nettopreis, steigt automatisch der Betrag, den der Fiskus erhält. Laut Finanzministerium erhöhen sich die gesamten Steuereinnahmen aber dennoch nicht, da aufgrund der hohen Preise in anderen Bereichen weniger konsumiert und somit weniger Steuer gezahlt werde. Im ersten Quartal 2008 ist das heimische Umsatzsteueraufkommen allerdings um 124,8 Mio. Euro oder 2,5 Prozent gestiegen. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel ist laut EU-Bestimmungen derzeit ohnehin nicht möglich. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will nun eine Änderung dieser Regelung.

6. Haben die hohen Preise einen Einfluss auf den Verbrauch?

Ja. Der Verbrauch geht aber nicht zurück, sondern wächst nur langsamer. So schätzt die IEA, dass heuer weltweit 86,8 Millionen Fass Öl pro Tag verbraucht werden. Dies wäre um rund eine Million mehr als 2007, aber um 390.000 weniger als in der letzten Prognose der IEA.

7. Welche Branchen sind besonders betroffen?

Mit 60 Prozent geht der Großteil des weltweit verbrauchten Öls in den Verkehr. Daher sind vor allem die Transportwirtschaft, aber auch der private Verkehr von den hohen Preisen betroffen. Rund 15 Prozent des Öls werden nicht als Energie verbrannt, sondern zu chemischen Produkten, Dünger oder Medikamenten verarbeitet. Diese Branchen leiden ebenfalls direkt unter dem hohen Ölpreis. Schlussendlich macht sich der Preis aufgrund der allgemein gestiegenen Energiekosten aber in nahezu allen Produkten bemerkbar.

8. Wodurch könnte Erdöl ersetzt werden?

Erdöl lässt sich in nahezu jeder Anwendung durch biogene Materialen ersetzen. In den Fahrzeugmotoren kann statt Benzin Ethanol und statt Diesel Biodiesel verbrannt werden. Kunststoffe können auch aus Polymilchsäure oder Stärke hergestellt werden. Aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise im Agrarsektor liegen sowohl Biotreibstoffe als auch Biokunststoffe jedoch immer noch über ihren fossilen Pendants. Hinzu kommt vor allem bei den Kraftstoffen, dass sie aufgrund der benötigten Menge direkte Konkurrenten der Nahrungsmittelproduktion sind.