Ölpumpe

Experten warnen vor neuem Ölpreis-Schock
Quelle: Handelsblatt (Schleswig-Holstein) vom 2.3.2010

Die Investitionen in neue Öl- und Gasfelder gehen zurück. Experten warnen, dass Preiserhöhungen die beginnende Konjunkturerholung ersticken könnten. Selbst die Rekordmarke von fast 150 Dollar je Barrel scheint nicht mehr außer Reichweite.

Der Ölpreis droht zum Risiko für die Weltkonjunktur zu werden. Vertreter der Ölindustrie, große Ölkunden und Analysten warnen, dass sich der deutliche Rückgang der Investitionen in neue Öl- und Gasfelder schon bei einer moderaten Erholung der Weltwirtschaft mit kräftigen Preissprüngen rächen könne. Fatih Birol, der Chefvolkswirt der Internationalen Energieagentur (IEA), schließt sogar eine Rückkehr zu den Rekordpreisen nahe 150 Dollar je Barrel (159 Liter) nicht aus.

Wenn sich an der zurückhaltenden Investitionspolitik der Ölbranche nicht viel ändere, sei zu befürchten, dass schon 2011 steigende Preise den Aufschwung bremsten, sagte Birol dem Handelsblatt. Auch Peter Voser, der Vorstandschef des Energieriesen Royal Dutch Shell, warnte, es könne zu einem stärkeren Preisdruck kommen, wenn die Nachfrage steige und die Investitionen schwach blieben.

Vor allem die stark wachsende Nachfrage aus China und anderen großen Schwellenländern hatte den Ölpreis im Sommer 2008 auf ein Rekordhoch von 147 Dollar getrieben. Manche Volkswirte argumentieren, dass dieser Ölpreisschock einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, dass die Weltwirtschaft bald darauf in eine tiefe Rezession abrutschte.

Bis Ende 2008 brach der Ölpreis dann auf unter 40 Dollar ein, erholte sich jedoch auf ein Niveau zwischen 70 und 80 Dollar. „Das finde ich für die Fundamentaldaten auf dem Markt sehr hoch“, sagte Birol. „Dieser Ölpreis ist schon jetzt eine Last, vor allem für nicht-ölexportierende Entwicklungsländer“, warnte er. Auch Voser betont, dass sich die fundamentalen Marktdaten nicht unbedingt im Ölpreis widerspiegelten: „Ich will nicht von Engpässen sprechen, aber es kann zu einem stärkeren Preisdruck kommen.“

Die Ölnachfrage ist 2009 nach Schätzungen der IEA um 1,3 Mio. Barrel auf durchschnittlich 84,9 Mio. Barrel am Tag geschrumpft. Die Organisation, die die Interessen der großen Energieverbraucher vertritt, rechnet für 2010 mit einem Anstieg der Nachfrage um 1,57 Mio. Barrel am Tag. Die Opec erwartet nur ein halb so großes Plus von 810 000 Barrel am Tag.

Das Angebot dürfte damit nicht Schritt halten: Analysten der Bank of America Merrill Lynch gehen davon aus, dass es den Ölkonzernen nicht gelingen wird, mit neuen, ambitionierten Projekten in extremen Klimazonen oder tief unter dem Meeresboden den unvermeidlichen jährlichen Produktionsverlust alter Felder auszugleichen. Die Investitionen der Ölindustrie sind nach Berechnungen der IEA 2009 um 19 Prozent gesunken. Im laufenden Jahr sieht sie sie um allenfalls zehn Prozent steigen. Shell beispielsweise will im laufenden Jahr 28 Mrd. Dollar investieren, rund vier Mrd. weniger als im Vorjahr. „Wenn das so weitergeht, werden die Märkte schnell eng werden, sobald die Nachfrage wieder anzieht“, sagt Chefvolkswirt Birol.

Doch selbst wenn die internationalen Ölkonzerne investieren wollen, fehlen ihnen oft attraktive Gelegenheiten. Staatliche Ölfirmen vor allem im Nahen Osten säßen zwar auf großen, unerschlossenen Feldern, so Birol. Doch sie warteten mit den angekündigten Investitionen lieber ab, bis sich die Nachfrage tatsächlich erhole.