Wintereinbruch

Wintereinbruch treibt Strompreis in die Höhe
VON MARTIN KUGLER (Die Presse) 24.11.2005

Die Strompreise im Großhandel sind in den letzten Tagen regelrecht explodiert

Lag der Preis für eine Megawattstunde (MWh) elektrische Energie in der Vorwoche noch bei rund 60 Euro, so kletterte er am Mittwoch an der Grazer Strombörse EXAA auf 130 Euro.
Spitzenlaststrom verteuerte sich binnen drei Tagen sogar von 75 auf 186 Euro je MWh. Noch dramatischer fiel der Preissprung an der wichtigsten europäischen Strombörse, der EEX in Leipzig, aus.

Händler nennen drei Gründe für die Hausse:
Erstens wurde Gas im Gefolge der Preishausse auf der britischen Insel nun auch in Deutschland massiv teurer, zweitens habe es im deutschsprachigen Raum einige Kraftwerksausfälle gegeben, und drittens habe der Wintereinbruch zu einem Verbrauchszuwachs geführt.
Karl Kranner, Prokurist bei der Verbund-Stromhandels-Tochter APG, erwartet, dass die Preise an den Börsen rasch wieder auf das vorherige Niveau sinken, sobald die Kraftwerke wieder arbeiten und die Temperaturen steigen.

Unmittelbar hat die Preishausse keine Auswirkung auf die Strompreise für Konsumenten. "Kurzfristig werden die Spitzen im System abgepuffert", sagt Erwin Mair, Geschäftsführer der Energie Handelsgesellschaft, der Vertriebstochter der Energie Allianz, zur "Presse". Solche Ereignisse würden allerdings in die Gesamt-Kalkulation der Strompreise einfließen.

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Schnee-Panhans

Preisspitzen an den Strombörsen kommen immer wieder vor: Für heuer ist die aktuelle Hausse schon die dritte, aber mit Abstand die größte.
Die Höhenflüge haben zwar unterschiedliche Auslöser, sie sind aber alle Ausdruck der angespannten Lage an den Strommärkten: Die Reserve an Kapazitäten wird immer kleiner, weil der Bedarf stärker steigt als der Kraftwerksneubau. Eine kleine Störung löst dann heftige Preisausschläge aus - und zwar vor allem an den Börsen.
Der Großteil des Stroms wird direkt zwischen Erzeugern und Verteilern gehandelt, nur der "Reststrom" kommt auf die Börse.
An der Leipziger EEX wird rund ein Zehntel des deutschen Stromverbrauchs gehandelt, an der Grazer EXAA nur gut drei Prozent des heimischen Verbrauchs. Allerdings gelten die Notierungen an den Strombörsen für viele Verträge als Richtpreis.

Händler beklagen seit langem eine gewisse Intransparenz im Stromgeschäft. So gibt es etwa keine Berichtspflicht über unvorhergesehene Ereignisse. Daran wird sich auch nicht so rasch etwas ändern, weil eine derartige Verpflichtung laut Experten nur europaweit sinnvoll sei. Auch Spekulation dürfte bei den Preisen eine Rolle spielen, seit kurzem mischen auch Hedge-Fonds im Stromgeschäft mit.