Biokraftstoffe statt Erdgas
von Irm Pontenagel (Eurosolar)

In einer am 18. September 2003 herausgegebenen Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums fordert Jürgen Trittin die langfristige Förderung von Erdgas als Kraftstoff und den konsequenten Ausbau eines europaweiten Tankstellennetzes für Erdgasfahrzeuge.
Doch dieser Ansatz ist fragwürdig:  Er lenkt von dem eigentlichen Schritt der Einführung von Biokraftstoffen ab.

Der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg zur Förderung von Erdgas als Kraftstoff darf nicht fortgesetzt werden. Die Förderung, der Transport und die Verbrennung dieser fossilen Energiequelle verursachen – ähnlich wie beim Erdöl und bei der Kohle – zahlreiche Umwelt-, Gesundheits- und soziale Schäden.
Erdgas kann keinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten – es belastet ebenfalls die Umwelt und verändert das Klima.

Verkehr ist der Klimakiller Nr. 1
– das wird sich durch einen Umstieg von Benzin- und Diesel- auf Erdgasfahrzeuge kaum ändern.
Hinzu kommt, dass Erdgas in ökologisch sensiblen und politisch brisanten Gebieten gefördert wird. Die größten Erdgasvorkommen liegen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und in der Region um den Persischen Golf. Kriege und Konflikte werden um Erdgas genauso geführt werden, wie um Erdöl. Damit wird das Thema der Versorgungssicherheit zum Dauerproblem.
Schon heute gibt es große Konflikte beim Bau von Förderstätten und Pipelines. Insbesondere die lokale Bevölkerung und indigene Völker werden regelmäßig um ihre (Land-)Rechte gebracht, von Turkmenistan bis Tibet und von Chiapas bis Kolumbien. Umweltgesetze werden umgangen oder sind gar nicht vorhanden, Umweltschäden kaum behoben.

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Es ist extrem kurzsichtig die Umweltqualität eines Erdgasfahrzeugs allein anhand der Abgaswerte zu beurteilen. Die gesamte Energiekette von der Förderung über den Transport in Pipelines und Tankern bis zur Verbrennung muss betrachtet werden, und da schneidet Erdgas kaum besser ab als Erdöl (Die Erdgaslüge, Solarzeitalter 4/2001). Gerade das Problem von Leckagen in russischen Erdgaspipelines, die zu einer Freisetzung enormer Mengen an Methan führt, bleibt in vielen Kalkulationen unberücksichtigt. Ebenso verursacht der Erdgasferntransport hohe Emissionen durch den Betrieb von Gasturbinen in Kompressorstationen zum Ausgleich von Druckverlusten in der Pipeline.

Auch die kostengünstige Verfügbarkeit des Erdgases in den kommenden Jahrzehnten darf bezweifelt werden. Durch eine massive Ausweitung der Gasnachfrage sind steigende Importpreise für Erdgas wahrscheinlich. Mit Blick auf das Exportpotenzial des Hauptförderlandes Russland kann davon ausgegangen werden, dass der Erdgasbedarf in Europa dieses Potenzial voraussichtlich weit übersteigen wird. Zwar zeigt die russische Energiestrategie bis zum Jahr 2010 noch die Möglichkeit auf, den europäischen Bedarf decken zu können. Für die Jahre nach 2010 und besonders für die Zeit nach 2020 ist diese Versorgungssicherheit nicht mehr gegeben.

Ähnlich rückläufige Tendenzen im Förderpotential gibt es auch in Großbritannien. Nach Einschätzung der UKOOA (UK-Offshore Operators Association) wird die britische Gasproduktion bis spätestens 2005 das Maximum erreichen und danach deutlich zurückgehen. Damit besteht für die Erdgasversorgung eine zunehmende Lücke, die noch nicht durch Bezugsverträge abgesichert ist.

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Der Aufbau eines Versorgungs- und Tankstellennetzes wird zudem gewaltige Investitionen verschlingen – Investitionen, die beim Aufbau eines wirklich umweltverträglichen Treibstoffsektors fehlen werden. Die Mineralöl- und Autokonzerne werden kaum in umfangreiche Erdgastechniken investieren, um wenige Jahre später auf Biokraftstoffe wie Bioethanol, Biodiesel, Biogas, Biomethanol, Biodimethylether, reine Pflanzenöle, synthetische Biokraftstoffe oder Biowasserstoff umzusatteln.

Die Studie des Wuppertal-Institutes, dieim Auftrag der Gaswirtschaft erstellt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass Erdgas im Verkehrssektor bis 2050 einen wichtigen Beitrag leisten kann. Welchen Sinn macht es, auf Erdgas als Kraftstoff zu setzen, wenn es in einigen Jahrzehnten ohnehin kein Erdgas mehr gibt, so wie es vielfach prognostiziert wird.

Der einzig zukunftsfähige Weg kann deshalb nur in den biogenen Kraftstoffen liegen. Deren Ausbau gilt es dringend zu forcieren. Erfolg versprechende Technologien stehen gerade in der Entwicklungsphase, und mit einer ambitionierten Förderung wäre eine flächendeckende Versorgung mit Biotreibstoffen mittelfristig zu gewährleisten.

Für die Landwirtschaft eröffnet sich zudem die historische Chance, damit ein wachsender Wirtschaftsfaktor mit zentraler gesamtwirtschaftlicher Bedeutung und Motor einer ökologischen Zukunftsvorsorge zu werden. Landwirte erhalten die Möglichkeit, biologische Rohstoffe selbst zu erzeugen. Damit entstehen auch wieder Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, teils unter neuen Vorzeichen und mit völlig neuen Möglichkeiten.

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Wenn man den Zielen der Europäischen Kommission Rechnung tragen will, dass die biogenen Kraftstoffe bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 8 Prozent am Gesamtverbrauch ausmachen sollen, müssen alle Anstrengungen zu deren Förderung unternommen werden. In Deutschland befinden sich 3 Mrd. Euro private Investitionsmittel für Biokraftstoffe im Wartestand. Das Gesetz zur Steuerbefreiung in Deutschland, das bereits am 1.1.2003 hätte in Kraft treten sollen, muss deshalb so schnell wie möglich verabschiedet werden. Außerdem bedarf es einer zeitlichen Ausdehnung über das zunächst vorgesehene Jahr 2008 hinaus, da das Gesetz zum einen nicht am 1.Januar in Kraft trat, und zum anderen die Befreiung von Erdgas von der Mineralölsteuer bis 2020 gilt. Diesem Erdgassteuerprivileg muss ein politisches Bekenntnis für Biotreibstoffe entgegengestellt werden.

Die große Menge nutzbarer Biomasse, die auf vielfältige Weise erschlossen werden kann, stellt dabei eine umwelt und klimafreundliche Rohstoffbasis für die Herstellung von Biotreibstoffen zur Verfügung.

In einer Reihe von Szenarien und Potentialstudien konnte bereits belegt werden, dass das weltweite Biomasse-Potential ausreicht, um den Kraftstoffbedarf zu decken.

Während andere Länder darüber nachdenken, die Themen Energieversorgung, Wirtschaft, Gesundheit und nationale Sicherheit in einen Zusammenhang zu bringen, ist Europa und selbst Deutschland von einer langfristigen Strategie weit entfernt. Selbst die USA, die sich bisher bei der Förderung von Biomasse nicht sonderlich in den Vordergrund geschoben haben, schreiten nun, wenn auch nicht aus Umweltschutzgründen, in dieser Thematik voran. So wurde kürzlich in deren nationalem Sicherheitskonzept die Nutzung von heimischen Energiealternativen als Strategie verankert.

Wenn der "Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V." und die "erdgas mobil GmbH" den Ausbau der Erdgasfahrzeuge fordert ist dies nachvollziehbar, ein grüner Umweltminister hingegen sollte nicht dafür plädieren, von einem umweltschädlichen auf einen scheinbar weniger umweltschädlichen endlichen Kraftstoff umzusteigen. Er sollte der Landwirtschaft eine Zukunftsperspektive bieten und den Ausbau der Biokraftstoffe konsequent und schnell vorantreiben.

EUROSOLAR hat zur Erarbeitung von Strategien und politischen Handlungskonzepten für die Förderung von Biotreibstoffen vor einem Jahr eine "Arbeitsgemeinschaft Biotreibstoffe" auf repräsentativer Fachebene ins Leben gerufen, die regelmäßig tagt.