Forscher: Autofahren soll pragmatischer werden
Quelle: Badische Zeitung vom 18.10.2010

Der ökologische Umbau des Verkehrssystems birgt enorme Herausforderungen – sowohl in technischer, wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Das wurde auf dem Kongress Solar Summit in Freiburg deutlich.

FREIBURG. Der ökologische Umbau des Verkehrssystems birgt enorme Herausforderungen – sowohl in  technischer, wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Das wurde auf dem Kongress Solar Summit in Freiburg deutlich, wo Wissenschaftler und Praktiker aus der Industrie zwei Tage lang über die Zukunft von Mobilität und Energiespeicherung diskutierten.

Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), zeigte sich überzeugt, dass die erneuerbaren Energien, "eine der größten Revolutionen der Menschheit", bald auch die Mobilität erreichen werden: "Die Jahre 2010 und 2011 werden künftig als die Jahre angesehen werden, in denen der Wandel des Verkehrs begann." Zugleich wurden auf der Veranstaltung aber auch die Schwierigkeiten deutlich, die etwa eine Umstellung der Fahrzeugflotte auf Elektroantrieb mit sich bringt. "Es darf nicht sein, dass  jeder sein Elektroauto tankt, wann er gerade will", sagte Johannes Eckstein vom Energiekonzern Eon. Dann werde das Stromnetz destabilisiert.

Simon Felsenstein vom Anlagenbauer ABB zeigte parallel dazu die Grenzen der Versorgungsnetze auf. Wenn  in Deutschland fünf Millionen Elektroautos gleichzeitig geladen werden – jeweils mit einer Leistung von 3,6 Kilowatt, was eine normale Haussicherung gerade verkraftet –, dann bräuchte man hierfür eine zusätzliche Leistung, die 18 Atomkraftwerken entspricht. Zudem setze die heutige Infrastruktur Grenzen: Die Transformatoren im Netz wären oft schon überlastet, wenn nur jedes zehnte Auto in einem Wohngebiet auf Batteriebetrieb umgestellt wird.

Alternativ zum Strom bietet sich als Energieträger der Wasserstoff an. Das Problem dabei: Solange nicht klar ist, in welche Richtung die Entwicklung geht, besteht die Gefahr, dass für beide Energieträger parallel eine Infrastruktur aufgebaut wird, was enorme volkswirtschaftliche Kosten verursacht.

Wasserstoff kommt jedoch nicht nur als Treibstoff für Autos, sondern auch als Speicher für überschüssige erneuerbare Energien in Frage. Für diesen Zweck sei der Wasserstoff gar das einzige Medium, das sowohl hohe Leistungen als auch hohe Energiemengen speichern kann, sagte Wissenschaftler Christoph Hebling vom Fraunhofer ISE. Gleichwohl werde man in Zukunft unterschiedliche Energiespeicher nutzen, vermutet unterdessen Daryl Wilson von der Firma Hydrogenics. Man müsse sich das vorstellen, wie bei der Datenspeicherung:  "Für manche Einsätze bietet sich der USB-Stick an, für andere die Festplatte und für noch andere die DVD – solche Vielfalt wird sich auch bei den Energiespeichern durchsetzen."

Aber nicht alleine die Technik war Thema des Solar Summit – es ging auch um künftige Strukturen der Mobilität. Und so machte die Veranstaltung zugleich deutlich, dass das Auto der Zukunft eine ganz andere Funktion erfüllen wird als das heutige Auto. Es wird Teil einer Mobilitätskette sein und jeweils dort zum Einsatz kommen, wo es anderen Verkehrsmitteln überlegen ist. Man wird das Auto also für die Fahrt zum nächsten Bahnhof nutzen, um dann in den Zug umzusteigen. Am Zielbahnhof steht dann gegebenenfalls wieder ein Auto zur Verfügung. Solche Szenarien stützen sich auch darauf, dass sich die Einstellung der Gesellschaft  zum Auto erkennbar wandelt: "Junge Leute wollen oft kein eigenes Auto mehr", sagte Klaus Bonhoff von der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Somit werde der ökologische Umbau des Verkehrssystems mit dem Ausbau neuer Angebote wie Car-Sharing einhergehen.

Entsprechend setzt auch Rolf Schumann von der kalifornischen Firma Better Place auf ein anderes Mobilitätsverhalten. Heute wählten Menschen für ihre Fahrt oft den Privat-PKW, weil der "ohnehin bezahlt" ist. Better Place hingegen bietet Elektroautos an, bei denen der Kunde nur jeweils die Kilometer kauft. Der Umgang mit dem Auto soll also pragmatischer werden. Frank Wolter, Verkehrsgutachter für die Deutsche Bahn, zeigte sich ebenfalls überzeugt, dass diese Entwicklung kommt: Heute gebe es nach Marktuntersuchungen in Deutschland bereits 3,5 Millionen Menschen, die flexibel zwischen Bahn und Pkw wechseln – in den kommenden Jahren werde dieser Anteil auf rund acht Millionen steigen.