Erde

Experten warnen vor rasantem Klimawandel
24.11.2009 | 16:37 | (DiePresse.com)

Der Klimawandel läuft schneller ab als erwartet. Bis zum Jahr 2100 ist ein Temperaturplus von sieben Grad möglich, warnen 26 führende Experten. Die Eisschilde schwinden deutlich schneller als angenommen.

Es ist ein "letzter wissenschaftlicher Aufruf an die Unterhändler von 192 Staaten, den Klimaschutz-Zug in Kopenhagen nicht zu verpassen", so Hans-Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimaforschung. Wenige Tage vor Beginn der Klimakonferenz in Kopenhagen schlagen 26 Forscher - die meisten von ihnen Mitautoren früherer Weltklimaberichte - Alarm. Der Klimawandel läuft noch schneller ab als erwartet. Ohne deutliche Verminderungen der Treibhausgas-Emissionen könnte die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um bis zu sieben Grad Celsius ansteigen.

Die Verhandler in Kopenhagen "müssen die ganze Wahrheit über die globale Erwärmung und die damit verbundenen nie dagewesenen Risiken kennen", so Schellnhuber. In dem am Dienstag vorgestellten Bericht "Copenhagen Diagnosis" werden die neuen Ergebnisse der Klimaforschung, die noch nicht im 2007 veröffentlichten vierten Weltklimabericht enthalten waren, zusammengefasst. Darin heißt es: "Die großen Eisschilde der Erde verlieren zunehmend an Masse; das arktische Meereis schwindet deutlich schneller als noch kürzlich projiziert und der Meeresspiegel wird wahrscheinlich stärker ansteigen als bisher angenommen."

Die Erkenntnisse der Wissenschafter:

  • Sowohl der Grönländische als auch der Arktische Eisschild verlieren zunehmend an Masse und tragen zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Dies zeigten Satelliten- und direkte Messungen, heißt es.
  • Das arktische Meereis schwindet deutlich schneller als nach den Vorausberechnungen zu erwarten war: So war der Eisverlust in den Sommern 2007, 2008 und 2009 jeweils rund 40 Prozent größer als der Mittelwert der Simulationsrechnungen, die im vierten Weltklimabericht stehen, wie die Experten betonen. "Das arktische Meereis ist außer Rand und Band" erklärte Georg Kaser von der Uni Innsbruck als österreichischer Vertreter der Forschergruppe.
  • In den vergangenen 15 Jahren stieg der Meeresspiegel um mehr als fünf Zentimeter. Der Anstieg liegt damit rund 80 Prozent über den Projektionen aus dem dritten Weltklimabericht aus dem Jahr 2001. Durch den Schmelzwasserzufluss von Eisschilden und Gebirgsgletschern könnte der Pegel bis zum Jahr 2100 global um mehr als einen Meter bis maximal zwei Meter ansteigen, warnen die Experten. Im nächsten Jahrhundert müsse mit einem weiteren Anstieg gerechnet werden.
  • Im Jahr 2008 wurden laut dem Bericht rund 40 Prozent mehr Kohlendioxid aus fossilen Quellen freigesetzt als im Jahr 1990: "Selbst wenn die Emissionen nicht weiter zunähmen, wäre schon innerhalb von 20 Jahren das Emissionsbudget aufgebraucht, das der Welt noch zur Verfügung steht, wenn die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad begrenzt werden soll."

    Dass die Ursachen für die dramatischen Entwicklungen in den Machenschaften des Menschen zu suchen sind, daran besteht für Kaser kein Zweifel. Auch Einwände einzelner Wissenschafter, etwa dass die Erderwärmung seit rund einem Jahrzehnt Pause mache, lässt der Wissenschafter nicht gelten: "Das ist statistisch nicht haltbar." Man dürfe nicht vergessen, dass die Sonne gerade in einem Aktivitäts-Minimum befinde, die Erwärmung werde in wenigen Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit wieder dramatisch ansteigen. Treibhausgas-Emissionen auf Null setzen.

    Um das Klimasystem zu stabilisieren, müssten die Emissionen von Kohlendioxid und anderen langlebigen Treibhausgasen "noch in diesem Jahrhundert fast auf Null gesenkt werden". "Unser Spielraum für ,erlaubte Emissionen', die unsere Klimazukunft nicht zu stark gefährden, ist so gut wie ausgeschöpft", sagte Matthew England, Direktor am Climate Change Research Centre der University of New South Wales. Innerhalb nur eines Jahrzehnts müssten die globalen Emissionen beginnen abzunehmen. Die Welt brauche deshalb dringend eine verbindliche Einigung, "die sicherstellt, dass die großen Emittenten einmütig handeln".