China entdeckt den Klimaschutz
26.02.2007

Beim nächste Volkskongress in Peking wird erstmals das Thema zur Debatte stehen, das für Chinas kommunistische Kader bisher noch nie wichtig war.

Nicht nur der alltägliche, dicke Smog in der chinesischen Hauptstadt hat die politische Führung des Riesenreiches zum Umdenken bewegt.
Schockiert haben vor allem die Berichte der nationalen Umweltbehörde: Demnach fressen die gewaltigen Umweltschäden das jährliche Wirtschaftswachstum von 10 Prozent komplett auf.
16 der 20 Städte mit der schlechtesten Luftqualität liegen in China. Nur die Hälfte der städtischen Abwässer wird in Kläranlagen behandelt, 340 Millionen Chinesen haben keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser. Durch die Umweltschäden vergrößern sich im Land die Wüstenflächen jährlich um 3000 Quadratkilometer. Und China ist, nach den USA, der zweitgrößte Verursacher von CO2.

Peking weigert sich zwar das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, will aber nun ein eigenes, rigoroses Umweltschutzprogramm vorlegen. Bis Ende April soll der "Nationale Klimaschutzplan" auf dem Tisch liegen. Vorgesehen ist dabei, dass China seinen Energiebedarf zu zwölf Prozent aus Sonne, Luft und Wasser decken kann. Weiters sollen Bankenkünftig bei der Kreditvergabe ökologische Aspekte stärker einbeziehen.
Schwachstelle des Plans: In den Provinzen setzen die kommunistischen Kader meist noch immer auf schnelles Wachstum um jeden Preis.

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Wer die Erderwärmung reduzieren will, kommt ohne Chinas Mithilfe nicht aus.
Klimaschutz ist für Chinas Kommunisten immer etwas gewesen, womit sie nichts zu tun haben. Warum auch, schließlich hat ja der Westen Schuld an der Klimaveränderung. Wenn man sich die Zunahme der Emissionen zwischen 1950 und 2002 ansieht, stellt man fest, dass China nur zehn Prozent dazu beigetragen haben.

Chinas historische Verantwortung für den Klimawandel ist in der Tat gering. Dennoch fordern heute die Vereinten Nationen von Ländern wie China, sich aktiv an der CO2-Emissionsminderung zu beteiligen. Denn es gilt, eine Klimakatastrophe zu verhindern. Das Verlangen der UN lässt sich gut begründen: Spätestens 2009 wird China die USA als größten Emittenten von Treibhausgasen ablösen. In keinem zweiten Land ist das absolute Wachstum des CO2-Ausstoßes so hoch wie in China.

Allein der chinesische Kohleverbrauch wird von zuletzt rund 2,2 Milliarden Tonnen im Jahr wohl auf rund vier Milliarden Tonnen im Jahr 2020 anwachsen. Das Land muss einen Teil der benötigten Kohle inzwischen importieren. Um den damit verbundenen Emissionszuwachs beim heutigen Stand der Kohletechnik auszugleichen, müssten ganze westliche Volkswirtschaften ihre CO2-Emissionen auf Null senken. Wer also die Erderwärmung reduzieren will, kommt ohne Chinas Mithilfe nicht aus.

Die Chinesen aber werden sich jetzt erst des Phänomens Klimawandel bewusst. So werden in Peking seit langer Zeit die jährlichen Opfer und Kosten der Naturkatastrophen gezählt: 2006 waren es 2.704 Tote und 212 Milliarden Yuan (21,2 Milliarden Euro) Sachschaden, hervorgerufen vor allem durch Trockenheit und Überschwemmungen. Bisher brachte aber niemand diese Zahlen mit dem Klimawandel in Verbindung. Erst in den vergangenen Monaten änderte sich das.

Dahinter steckt eine neue Propagandapolitik. Die KP will den Klimawandel nicht länger verschweigen – vermutlich aus Angst, eines Tages selbst für ihn verantwortlich gemacht zu werden.

Die Folge:
Derzeit dürfen Wissenschaftler und Medien so offen wie noch nie die Klimafrage diskutieren. Sie liefern Bedrohungsszenarien, von denen bis vor kurzem kein normaler Chinese je gehört hatte. "Die unmittelbarste Auswirkung des Klimawechsels wird Chinas Getreideproduktion betreffen", meint etwa Luo Yong, Vize-Direktor des staatlichen Klimazentrums in Peking. Luo zufolge wird in China schon ab 2030 die landwirtschaftliche Produktion um jährlich zehn Prozent einbrechen - als Folge des Klimawandels.

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Das kann sich kein Volk leisten.
Doch was tun? Qin Dahe, Chef des Meteorologischen Instituts in Peking, klagt, dass es an Geld und Technologien mangele, um der Gefahr angemessen zu begegnen. Doch für ein Land mit Devisenreserven von mehr als 1000 Milliarden Dollar hört sich das etwas leicht dahingesagt an. Lu Xuedu vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie ist optimistischer: "China bemüht sich kontinuierlich, den Klimawandel zu bekämpfen und hat auch schon viel auf diesem Feld erreicht."
In Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen wird Peking bis zum Sommer die erste Emissions-Börse außerhalb Europas und den USA eröffnen. Sie soll den äußerst lukrativen Markt des Emissionshandels in China weiter öffnen. Westliche Unternehmen könnten dann chinesischen Unternehmen moderne Technologien zum Einsparen von Treibhausgasen finanzieren und die Emissions-Ersparnisse gewinnbringend an westliche Unternehmen weiterverkaufen. Nach UN-Angaben könnten bis 2012 bis zu 41 Prozent aller Emissionsgeschäfte auf China entfallen.

Auch bei den erneuerbaren Energien will Peking voranschreiten. China investierte im Jahr 2005 sechs Milliarden Dollar von weltweit 38 Milliarden Dollar in solche Technologien (Wasserkraft nicht eingerechnet) und wurde damit zum größten Investor in erneuerbare Energien der Welt. Wu Guihui, Vizedirektor des Energiebüros der Staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission, kündigte bis 2020 Investitionen in Höhe von insgesamt 150 Milliarden Euro in Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie und Biomasse an. Schon heute wird aus chinesischen Windrädern eine Leistung von 1,2 Gigawatt (GW) gewonnen. Dies entspricht in etwa dem Ertrag eines größeren Kohlekraftwerks. Doch allein für Standorte vor der südchinesischen Küste geht der chinesische Wirtschaftsverband von einem erschließbaren Potenzial von insgesamt 750 GW aus.

Für die Sonnenenergie stehen theoretisch gigantische Flächen zur Verfügung, die mit Kollektoren gepflastert werden könnten. Denn auf zwei Dritteln der chinesischen Landmasse scheinen jährlich 2000 Stunden Sonnenlicht. Schon ein Bruchteil der von diesen Flächen produzierten Sonnenenergie würde das Land entlasten. Zwar gibt es bereits wettbewerbsfähige chinesische Solarzellenhersteller, doch werden die meisten ihrer Produkte bisher exportiert.
China steht also sowohl was das Bewusstsein seiner Bevölkerung betrifft, als auch mit den erforderlichen Maßnahmen noch ganz am Anfang einer Klimapolitik, die den Herausforderungen seiner boomenden Wirtschaft und des wachsenden CO2-Ausstosses gerecht wird. Doch ein Anfang ist immerhin gemacht.