Der Gastgeber stellt sich quer
Von Agnieszka Hreczuk, Warschau

Weltklimagipfel in Polen soll Weg für CO2-Reduktion bereiten

Die EU will bis 2020 den Ausstoß von Kohlendioxid um ein Fünftel verringern. Polen, seit Montag Gastgeber des Weltklimagipfels, gefällt das nicht. Denn das Land produziert 95 Prozent seines Stroms aus Kohle.

Ab Montag ist das westpolnische Poznan Hauptstadt der Klimapolitik. Hier findet der jährliche Weltklimagipfel statt. Das Treffen ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg nach Kopenhagen 2009. Es legt die Grundlagen für die Weltklimapolitik nach 2012, wenn das Kyoto-Protokoll zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes ausläuft. Die EU hat ehrgeizige Ziele.

Verbal unterstützt Polen diese: »Polen legt großen Wert auf den Klimaschutz und wir sind dafür, dass der CO2-Ausstoß reduziert wird«, sagt Andrzej Chwas vom Wirtschaftsministerium in Warschau. Ein Streitpunkt mit Brüssel sei nur die Art und Weise, wie die Ziele erreicht werden sollten.

Polen stört sich am EU-Klimapaket: Bis 2020 soll der Ausstoß von Kohlendioxid um 20 Prozent verringert und der Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent erhöht werden. Um einen Anreiz zur Reduktion zu geben, soll jede Tonne CO2 etwas kosten. Eigentlich gibt es ein solches System schon: Jedem EU-Staat wird ein CO2-Kontingent zugeteilt, das er an die Unternehmen weitergeben kann. Wenn diese ihre Kontingente nicht ausschöpfen, dürfen sie Zertifikate verkaufen. Doch ab 2013 werden diese Zertifikate stufenweise kostenpflichtig. Diese Idee gefällt Polen nicht. Denn das Land verfügt praktisch über keine eigenen Energiequellen. 69 Prozent des Erdgases und 95 Prozent des Öls kommen aus dem Ausland.

Gleichzeitig gehört Polen jedoch zu den energiesichersten Ländern weltweit. Denn theoretisch könnte es sich unabhängig mit Energie versorgen: Das Land fördert mehr als die Hälfte der Kohle der EU. Die Vorräte reichen noch für 300 Jahre. Beinahe 95 Prozent des Stroms kommen aus der Kohle – und verursachen entsprechend hohe Kohlendioxidemissionen. Das EU-Klimapaket würde das beenden.

Die polnische Regierung hat Argumente gegen die Brüsseler Vorschläge: Sie würden einen Preisanstieg von 90 Prozent für jeden Haushalt bedeuten. »Die Energiekosten werden zu einer Krise der polnischen Wirtschaft führen«, sagt Jacek Skorski, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Kopalnia Weglowa SA. »Die stark energieabhängigen Branchen wie Zement- und Hüttenindustrie werden Pleite machen«. 500 000 Arbeitsplätze wären gefährdet.

Andrzej Kassenberg, Wissenschaftler vom Institut für Ökoentwicklung in Warschau, hält das für »Blödsinn«. »Man spricht in der Debatte wenig über die Verschmutzung und deren Folgen auch für uns Polen.« Seine Einschätzung: »Das Paket wäre für Polen vorteilhaft. Ohne Schocktherapie ändert sich in der polnischen Energiewirtschaft nichts.« Erneuerbare Energie machen in der Stromproduktion nur 0,5 Prozent aus, in Deutschland sind es über 14 Prozent. Viele polnische Regionen seien zur Umstellung bereit.

Doch die Regierung bremst ab. »Die EU kann nicht erwarten, dass wir innerhalb von ein paar Jahren erreichen, wofür Westeuropa ein paar Jahrzehnte gebraucht hat«, sagt Andrzej Chwas. Aus Warschauer Sicht könnte die Atomenergie eine Zwischenlösung sein. Polen überlegt, ob es Kernenergie aus Litauen importieren könnte oder ein eigenes Kraftwerk baut.

Nachgeben will die polnische Regierung nicht. Sie hat Unterstützung von anderen osteuropäischen EU-Ländern: Auf ihrem Gipfel Anfang November entschieden die Staats- und Regierungschefs Tschechiens, der Slowakei und Ungarns, Polen zu unterstützen. Auch Rumänien, Bulgarien und die baltischen Staaten stehen auf der Seite Warschaus. In Poznan ist ein Kampf zwischen Wirtschaft, Politik und Umweltschutz zu erwarten.