Der Siegeszug der Windkraft
Quelle: Welt.online vom 28.08.2007

Heute genau vor 20 Jahren wurde der erste Windpark in Deutschland errichtet . Seitdem hat die Energieform einen Aufschwung ohnegleichen erlebt. Und die Windbranche wächst. Die Nachfrage ist so groß, dass die Windturbinen ausverkauft sind.

Den Geburtsort einer neuen Industrie stellt man sich nicht so einsam vor wie hier an der Nordsee, im Dorf Kaiser-Wilhelm-Koog in Schleswig-Holstein. In dem Weiler gibt es nicht viel mehr als Schlick, Regen und vor allem Wind. Und genau deswegen begann an diesem Ort vor 20 Jahren die Zukunft. Um genau zu sein, waren es 30 Rotoren, die am 24. August 1987 im ersten Windpark Deutschlands aus reiner Luft ein Kilowatt Strom machten. Mit diesem Start begann der Siegeszug einer Branche. Windräder stehen heute in jedem Bundesland. Es gibt Karten, die kleinste Luftzüge verzeichnen. An den Börsen werden Air-Aktien gehandelt.

Das Geschäft mit Strom aus Wetter boomt. Matthias Hochstätter vom Bundesverband Windenergie (BWE) sagt: "In 15 Jahren müssen wir die Hauptlast der Energieversorgung Deutschlands tragen." Weshalb das Wachstum wichtig sei.

Der Anfang 1987 war schwer. Eben noch war der Growian gescheitert, jener Riesenpropeller in 100 Meter Höhe. Materialprobleme und technische Fehler sorgten dafür, dass die Anlage mehr stand als lief. Mit der Idee vom Riesenrotor gingen vor allem Konzerne wie RWE baden, die darauf gesetzt hatten, mit Windmaschinen ihre Kohlekraftwerke zu ergänzen. Aber: Der Growian hatte auch etwas Gutes. Er bewies, dass einzelne Großprojekte keine Zukunft haben und neue Konzepte nötig waren.

Stufe zwei war der "Windenergiepark Westküste" in Kaiser-Wilhelm-Koog. "Die 30 Maschinen hatten eine Leistung zwischen 25 und 55 Kilowatt", erinnert sich Jens Heidorn von der Betreiberfirma Windenergiepark. Zusammen ergibt das eine Leistung von einem Megawatt - fünfmal weniger als eine einzige moderne Anlage. Aber der Park bewies, dass kleine Generatoren zuverlässig laufen, dass sie Strom liefern und mit Gewinn zu betreiben sind. Heidorn: "Es funktionierte. Mit diesem Erfolg war klar, es gibt eine Alternative zu Öl und Gas."

Stromerzeugung jenseits der Großkonzerne

Entscheidend für den Erfolg der Windenergie war nach Ansicht von Matthias Hochstätter vor allem, dass der Gesetzgeber normalen Leuten ermöglichte, in Windenergie zu investieren. Mit dem Stromeinspeisegesetz Mitte der 80er-Jahre wurden die Voraussetzungen geschaffen, jenseits der Großkonzerne Strom zu müllern. Hochstätter: "Jetzt konnte sich der Bauer einen Windrotor als Standbein neben der Schweinezucht leisten. Das war eine Graswurzelrevolution." Diese Kindertage sind jetzt vorbei. Die Nachfrage steigt von Minnesota bis Simbabwe. Unternehmen wie Enercon, die damals in Aurich, Ostfriesland, die ersten Rotoren von Hand zusammenschweißten, wuchsen zu ernsthaften Konkurrenten von General Electric oder Siemens heran. Die Fusionen laufen im Weltmaßstab. Erst vor wenigen Wochen hat die indische Suzlon-Gruppe den Windkraftkonzern Repower übernommen.

Schwierigkeiten auf dem Weg zur Industriebranche gab's genug. Im Jahr 2000 gerieten viele Hersteller an den Abgrund und manche darüber. Firmen wie Frisia oder Provento mussten Insolvenz anmelden. Die Ursache der Konsolidierung beschreibt der Leiter des Kompetenzzentrums Erneuerbare Energien der Commerzbank, Torsten Hinsche. Als Finanzier war er an Dutzenden Projekten beteiligt. "Der Auftrieb der Windenergie wurde zunächst durch Steuervorteile ausgelöst", sagt Hinsche. Als die gestrichen wurden, fehlten Milliarden. Der zweite Grund lag nach Hinsche in dem Bestreben der Firmen, immer schneller neue Produkte in den Markt zu drücken "Darunter litt die Qualität der Anlagen." Es kam zu Reklamationen, die Firmen die Existenz kosteten.

Und schließlich mussten auch die Projektierer viel lernen. "Man wusste noch nicht wo die besten Standorte liegen." Doch die Phase der Erneuerung ist vorbei. "Die Kraft der Unternehmen aus der Windbranche ist heute so gut wie nie zuvor", sagt Hinsche.

Windturbinen ausverkauft

Vor allem auf dem Land werden wieder riesige Projekte angeschoben. Alte, leistungsschwache Anlagen werden durch moderne ersetzt. Der Bundesverband für Windenergie rechnet mit einem Zubau von 15 000 Megawatt Leistung bis zum Jahr 2020 allein an Altstandorten. Insgesamt werde der Wind bis dahin jährlich 110 Mrd. Kilowattstunden Strom liefern. Das entspricht dem Verbrauch von 20 Millionen Menschen.

Analyst Sebastian Rowe beobachtet für den Kapitaldienst Equinet die erneuerbaren Energien. Er stellt fest: "Die Windbranche wächst." Auch wenn es immer technische Hürden und ideologischen Widerstand gibt. Angetrieben von den Klimaschutzprogrammen muss die Branche mit ganz anderen Schwierigkeiten fertig werden.

Die Windturbinen sind ausverkauft. Es gibt nicht genügend Produktionsreserven. Doch das sind Luxusprobleme. "Die Zulieferer weiten ihr Angebot aus. Gleichzeitig sinken mit der Automatisierung die Fixkosten. Das führt zu einer höheren Profitabilität", sagt Rowe. Sprich: Die Gewinne steigen.

Die ferne Zukunft der Windkraft indes liegt auf hoher See. Weit vor der Küste Nordfrieslands entsteht der Offshore-Windpark "alpha ventus". Zunächst zwölf Rotoren sollen eine Leistung von 30 Megawatt liefern. Das Konzept tragen wieder die Großkonzerne. Vattenfall, E.on und EWE wollen beweisen, dass große Konzepte immer noch siegen können.