Gazprom: „Ölpreis steigt auf 250 Dollar“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2008)

Der russische Energie-Konzern droht Europa vor einer Abkehr von Gazprom. Das Warten auf ein wachsendes Angebot sei eine Illusion: "Europa sägt am eigenen Ast".

Ins französischen Deauville lud die Gazprom-Führung, um dem Westen sich selbst und seine Sicht der Dinge auf dem angespannten Energiemarkt zu erklären. Weil die Nachfrage wachse und ein Wettbewerb um Ressourcen ausgebrochen sei, „erwarten wir schon in absehbarer Zukunft 250 Dollar pro Barrel“, meinte der ansonsten medienscheue Gazprom-Chef Alexej Miller am Dienstag vor Journalisten.

Da der Gaspreis an den Preis von Ölprodukte gebunden ist, stehe Europa auch vor einem weiteren Anstieg der Gaspreise. Miller gesteht ein, dass selbst Gazprom mit seinen vielen Informationen die Preisentwicklung unterschätzt und ursprünglich auf 400 Dollar (257 Euro) je 1000 Kubikmeter veranschlagt habe. Weil Europa schon etwa 410 Dollar zahlt, wurde zuletzt Kritik an der Preiskoppelung von Öl und Gas laut.

An der Koppelung zu rütteln sei ein Fehler, betont Gazprom-Vizechef Alexander Medvedev, schließlich sei der Preis so kalkulierbarer als beim Spotpreismechanismus: Der Vorteil der vorgeschlagenen Spotpreisbildung sei nur gegeben, wenn das Angebot dauerhaft die Nachfrage übersteigt; darauf in Europa zu warten, sei „eine völlige Illusion“. Schon zuvor schob er im Interview mit unserer Zeitung die Schuld für den Preis auf die europäischen Regierungen: „60 Prozent des Preises kommen von den Steuern.“

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Seit 35 Jahren beliefert Gazprom Europa mit Gas und deckt derzeit ein Viertel des Bedarfs. Seit dem Gaskrieg mit der Ukraine hängt der Haussegen schief. Während Gazprom seinen Marktanteil in Europa bis 2020 auf ein Drittel erhöhen will, sucht Europa mehr Unabhängigkeit und alternative Quellen. „Das ist völlig verständlich“, meint Miller, gründe aber auf der seltsamen Vorstellung, dass alles, was nicht aus Russland komme, gleich besser sei. Miller geißelte die diplomatischen Anstrengungen des Westens, direkten Zugang zu den zentralasiatischen Ressourcen zu erhalten: „Das führt zum gegenteiligen Effekt, dem Kaspischen Paradox“, meint Miller: Einerseits gewinne Europa kein Gas dazu, andererseits treibe es aber mit der Konkurrenz den Preis.

„Europa sägt am eigenen Ast“

Derzeit sitzt Russland auf dem Monopol des zentralasiatischen Gasexports und kompensiert mit dem billigen Zukauf auch versäumte Investitionen in die eigene Förderung. Die vom Westen und von China umworbenen Kasachstan und Turkmenistan erhöhten zuletzt den Preis.

Gazprom selbst will laut Miller neben Europa auch den asiatischen und mittels Flüssiggas den US-Markt erobern. Unabhängig vom künftigen prioritären russischen Markt „bleibt Europa die Nummer eins“. Der Bau neuer Pipelines stehe in Gazproms Businessplan ganz oben. Mit den protektionistischen Vorhaben aber behindere die EU russische Investitionen: „Europa sägt am Ast, auf dem es sitzt“, droht Miller und empfiehlt die langfristigen Lieferverträge beizubehalten. Europa müsse kapieren, dass nur drei Länder derzeit die steigende Nachfrage bedienen können: Russland, Katar und der Iran.