Defizit an Energie - EU fürchtet Energiekrise
(Die Presse) 21.02.2006

Derzeit deckt die EU ihren eigenen Energiebedarf nur zu 50 Prozent.

Der Rest wird zugeliefert. Und die Abhängigkeit wird zunehmen. Geschieht nichts, wird die Einfuhr in 20 bis 30 Jahren eine Höhe von 70 Prozent des Gesamtbedarfs erreichen.

Die EU fürchtet eine neue Energiekrise und will sich beim nächsten EU-Gipfel am 23. und 24. März 2006 in Brüssel mit Gegenstrategien beschäftigen. Laut ersten Details eines neuen EU-Grünbuchs zur Energie soll die Abhängigkeit von einigen wenigen Zulieferern reduziert werden. Da in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig in den Ausbau der Energienetze investiert wurde, empfehlen die Experten der EU-Kommission in den kommenden 20 Jahren rund 820 Milliarden Euro in die Infrastruktur zu investieren. Zudem sollen die EU-Mitgliedstaaten bei den Gas- und Stromnetzen enger kooperieren.

Unkonkret dürften vorerst die EU-Pläne für Alternativen zur Abhängigkeit von Gas und Öl bleiben. Die EU deckt derzeit rund 50 Prozent ihres Energiebedarfs mit Einfuhren. Der größte Anteil der Zulieferungen bei Erdöl kommt aus den Nahen Osten (45%) und bei Gas aus Russland (40 %). Die EU ist deshalb auch massiv von externen und durch Krisen beeinflussten Preisentwicklungen abhängig.

Schon im letzten Grünbuch der EU-Kommission zur Energiepolitik war davor gewarnt worden, dass sich diese Abhängigkeit von Zulieferern künftig noch verstärken werde. Wenn nichts geschieht, wird dieser Anteil in 20 bis 30 Jahren 70 Prozent erreichen, hieß es in Brüssel.

Nun wird vorgeschlagen, neben einer Fortsetzung des bereits installierten Energiedialogs mit Russland auch die Kooperation mit anderen wichtigen Produzenten zu suchen - vor allem mit den östlichen Nachbarn in Zentralasien.

Nach dem russisch-ukrainischen Gasstreit zu Beginn des Jahres - der auch zu Engpässen in der EU führte - hatte es weltweit Bedenken gegeben, Moskau könne seine Öl- und Gasreserven mehr und mehr als politisches Druckmittel einsetzen. Zuletzt hatte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch bei ihrem britischen Amtskollegen Tony Blair in London für ein langfristiges Konzept zur Energieversorgung ausgesprochen. Merkel verlangte, dass die EU-Mitgliedstaaten über einen Zeitraum von 15 Jahren ein neues gemeinsames Energiekonzept entwickeln müsse.

Über eine gemeinsame Energiepolitik wird zwar in der Gemeinschaft schon seit geraumer Zeit diskutiert. Bisher blieb sie aber weitgehend national dominiert. Die Kompetenzen der EU-Institutionen sind hier äußerst gering. Mit ein Grund ist die teilweise sehr unterschiedliche Haltung zu Energieträgern. Auch beim EU-Gipfel im März wird erwartet, dass beispielsweise Frankreich als alternative Energiequelle die Atomkraft protegiert. Länder wie Österreich oder auch Schweden sehen die Alternativen eher in anderen Trägern wie der Biomasse. Ob solche Alternativen allerdings den zusätzlichen Bedarf decken können, ist äußerst fraglich. Allein in Österreich wird laut einer Wifo-Prognose der Gesamtenergieverbrauch bis 2020 um 19 Prozent steigen.