auspuffgase

Elektroauto im Alltag: Generation Volt
Quelle: 15.05.2010 | 17:48 | von timo völker (Die Presse)

Alle reden vom Elektroauto, aber (fast) keiner kann es kaufen. Schade eigentlich. Wir haben drei Tage lang Alltag mit dem Stromauto gespielt: Es fährt sich sogar spaßig. Wir brauchen bloß mehr Steckdosen.

Ich habe meinen Führerschein nicht abgegeben, aber danke der Nachfrage. Das blaue Ding sieht auch nur aus wie ein Mopedauto: Es ist ein Elektroauto, und um knatternde und stinkende Mopedautos fährt man damit Kreise.

Es ist nämlich schnell, jedenfalls in der Stadt. Unlängst hab ich einen Mini an der Kreuzung stehen gelassen, der das – glaube ich – nicht wollte. Als ein doofer Motorradfahrer Verkehrspolizist spielte und mir die Spur verstellte, hab ich ihn in der Kurve außen genommen – und dann stand tatsächlich ein Hunderter auf dem Tacho (ich werde das auf Nachfrage widerrufen).

Das ist vielleicht nicht die richtige Einstellung, wenn wir von der Mobilität der Zukunft sprechen, aber was ich sagen will: Das blaue Ding ist nicht lahm, es fährt sich auch sonst wie ein richtiges, halt kleines Auto. Beim Rasen fühlt man sich kein bisschen schlecht: Ich habe keinen Krach verursacht, wenngleich vielleicht einen schlechten Eindruck, aber nicht mehr Kohlendioxid und Schadstoffe als ein Fahrrad hinterlassen. Das Ding – es heißt übrigens Think und wird in Finnland gebaut – hat ja nicht einmal einen Auspuff. Von mir aus könnte es losgehen.

Es liegt richtig in der Luft, wie die Stadt aussähe, würden alle elektrisch fahren: der Matzleinsdorferplatz als Wellness-Oase; gute Luft am Hietzinger Kai; schnell eine Vorsorgewohnung am Gaudenzdorfer Gürtel sichern, man wird dort bald die Ruhelage schätzen. Was könnte diese wunderbaren Aussichten auf eine abgasfreie, lärmberuhigte, insgesamt also menschenfreundliche Stadt denn trüben? Die Zukunft fährt elektrisch, man kann es überall lesen.

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Reichweite?

Das Schreckgespenst, das auf den ersten Kilometern verhindert, dass man das Radio einschaltet oder die Fensterheber betätigt, ist bald verscheucht. Zwar kommt man mit dem Think nicht bis nach Graz, eine Wochenendausfahrt würde irgendwo in der Buckligen Welt enden oder, Gott behüte, in Amstetten. Man muss von einem erklärten Stadtauto aber nicht unbedingt mehr verlangen.

160 Kilometer mit einer vollen Batterie verspricht der Hersteller, was angesichts der etwa 100 Kilometer, die uns gelangen, optimistisch ist. Wir fuhren allerdings auch wie im Autodrom. Doch eine Arbeitswoche mit täglich Stadtrand nach Wien-Erdberg und zurück ließe sich problemlos mit einer Akkuladung bestreiten (die meiste Zeit steht man ohnehin, da wird der praktisch kein Strom entnommen).

Bloß am Ladevorgang wäre noch zu feilen. Garage habe ich keine, und Steckdosen auf der Straße gibt es nicht. Auf dem Hof der „Presse“ ließ es sich mit Verlängerungskabel ganz gut improvisieren. Würde ich das allerdings öfters machen, zum Beispiel wöchentlich, man würde mich schnell vom Hof jagen. Ist die Batterie einmal leer, steht das Auto zehn Stunden, bis sie mit normalem Hausstrom wieder voll geladen ist. In jener Zeit, da ein Auto an der Tankstelle mit Sprit befüllt ist, habe ich gerade die Kabel verlegt und angeschlossen. Und wo kriegen zwei, drei oder zehn Elektroautos auf einem Hof ihren Saft her? Laut einer in Deutschland erstellten Studie verfügen nicht mehr als fünf Prozent aller Autofahrer über eine Garage mit Stromanschluss.

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Abrechnung übers Handy.

Das muss noch nicht entmutigen: Firmenparkplätze ließen sich relativ schnell mit Anschlüssen ausstatten, warum nicht auch die ohnehin sündteuren Parkhäuser, und es braucht nicht viel Fantasie, sich Lösungen für den öffentlichen Raum vorzustellen: Ein gerüttelt Maß an Stromparkplätzen in jedem Bezirk, Kontrolle durch Parksheriffs (damit keiner zwei Wochen draufsteht), Abrechnung übers Handy – absolut machbar.

Hundert Kilometer Fahren kostet nach heutigem Stand übrigens zwei Euro 50 an Strom. Dieser Betrag müsste sich mindestens verdreifachen, um jenem von Benzin oder Diesel zu entsprechen. Was auf längere Sicht wohl auch kommen würde: Sobald eine nennenswerte Zahl an Menschen auf Stromautos umsteigt, wird der Finanzminister kreative Wege finden, um den Ausfall bei der Mineralölsteuer zu kompensieren. Elektrische Mobilität wird nicht zwangsläufig billiger.

Damit – mit dem massenhaften Umstieg – ist freilich fürs Erste nicht zu rechnen. Kaum ein Mensch, der bei Trost ist, kauft heute ein Elektroauto. Das liegt am Preis. Zur Zeit gibt es in Österreich zwei Modelle zu kaufen, die man auch guten Gewissens (Anmutung, Fahrverhalten, erprobte Crash-Sicherheit) als Auto bezeichnen kann. Der Tesla Roadster, ein Sportwagen aus Kalifornien, kostet mindestens 100.000 Euro. Für unseren Think, einen Zweisitzer mit etwas Laderaum, der durchaus solide verarbeitet, aber immer noch ein im Grunde unansehnlicher Kleinwagen ist, muss man so viel wie für einen schönen Porsche aus zweiter Hand hinlegen, nämlich 44.400 Euro, mit ein paar Extras (unverzichtbar: das Fetzendach) sind es, Schluck, 47.000.

Beim österreichischen Importeur und momentan der einzigen Quelle des Landes, dem Erdberger Fahrzeughändler Denzel, hat man trotzdem gute Laune. Projektleiter Klaus Nemeth schätzt, dass er in diesem Jahr 300 Stück verkaufen wird. Damit bedient er Firmen und Institutionen, denen der Anschaffungspreis ziemlich egal ist. Es sind Energieunternehmen und Hightechbetriebe aus der Elektronik- und Solarbranche, die Gesinnung demonstrieren. Siemens Österreich zum Beispiel hat soeben die bedeutende Pressemeldung hinausgejagt, wonach zwei Think angeschafft wurden, um sie – fortschrittlich, wie man ist – den Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen.

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Zwei Stromautos für 34.000 Menschen – na ja, ein Anfang.

Selten war man sich so einig, dass etwas, das noch gar nicht wirklich da ist, die Zukunft darstellt. Das liegt an den Alternativen: So weitermachen wie bisher ist auf Dauer keine Option, dazu hätte es nicht erst explodierter Ölplattformen bedurft (wenn allerdings die Atomindustrie sich als neue Shell entdeckt, dann steuern wir auch nur auf ein Methadonprogramm des ausgehenden Erdölzeitalters zu).

Wohlgemut rechnet ein Autohersteller, der sich zum Elektroauto-Pionier ausgerufen hat, obwohl er noch kein einziges Modell serienmäßig anbietet: Nach Sicht des Renault-Nissan-Konzerns werden 2020 zehn Prozent der Autos elektrisch angetrieben sein. Nüchterner sieht es Volkswagen, dort hält man diese Menge erst zehn Jahre später für möglich, im Jahr 2030. Für fast jede Glaubensrichtung ist eine Zeitrechnung zu haben.

Kein Speicher.

Prognosen sind eben schwierig bei einer Technologie, die sich noch in der Daniel-Düsentrieb-Phase befindet. Unbestritten ist der Elektroantrieb dem Verbrennungsmotor in wesentlichen Punkten überlegen: Ein Wirkungsgrad von 90 Prozent (statt bestenfalls 30) und volles Drehmoment ab Stillstand machen ihn eigentlich zum Paradeantrieb für Fahrzeuge. Nur wartet Strom – anders als Benzin und Diesel – nicht geduldig im Tank auf seine Verfeuerung. Es gibt keinen Speicher für elektrische Energie, der es auch nur annähernd mit der Energiedichte fossiler Brennstoffe aufnehmen könnte. Flüssiger Kraftstoff beinhaltet etwa 43 Megajoule pro Kilogramm, moderne Lithium-Ionen-Akkus kommen gerade einmal auf ein halbes Megajoule pro Kilo. Selbst um den bescheidenen Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors bereinigt bedeutet das, dass man statt einer Literflasche voll Sprit fast 50 Kilogramm Akku mitschleppen muss.

Elektroautos mit dieser frühzeitlich anmutenden Technologie hat derzeit jeder Hersteller von Rang in der Erprobung, um einer der Ersten zu sein, der ein brauchbares Modell auf den Markt bringt. Diese Vehikel, mit denen ab 2011 in stetig steigender Zahl zu rechnen ist, sind erklärte Subventionsempfänger. Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht den Staat in der Pflicht und fordert in Deutschland 5000 Euro Zuschuss beim Kauf eines Elektroautos – anders gäbe es fürs Erste keine Chance auf dem Markt, selbst wenn die Hersteller drauflegen statt zu verdienen.

Mit der Wohnung am Gaudenzdorfer Gürtel wird man also doch noch warten – ebenso wie mit der Anschaffung eines E-Autos: Um ein paar Euro mehr, als die geforderte Stützung ausmacht, bekommt man heute einen Neuwagen. Bei dem sind zwar nur die Scheibenwischer elektrisch, in den kommenden Jahren wird man damit aber noch ganz passabel unterwegs sein.

Aus städtischer Sicht bleibt zu hoffen, dass aus der heutigen mikroskopischen Verbreitung schnell eine wahrnehmbare wird. Ist das Stromauto einmal in der Stadt, wird es eng für Lärmer und Stinker. Applaudieren wir also jedem Einzelnen – auch wenn sie uns dreist überholen.

Das Elektroauto Think läuft (wie auch der Porsche Boxster) im finnischen Werk des Kfz-Zulieferers Valmet vom Band. Der Zweisitzer mit 160 Kilometern Reichweite kostet 44.400 Euro.