Greenpeace: Das Elektroauto – Ausweg oder Irrweg?
Quelle: Automobilwoche vom 6.Mai 2010, Bettina John

Elektromobilität bietet eine große Chance – aber nur, wenn man Konzepte zur ganzheitlichen Elektromobilität anstrebt und nicht allein Elektroautos.

Teilweise überraschende Einblicke in Greenpeace-Positionen zum Thema Elektromobilität lieferte Wolfgang Lohbeck, Verkehrsexperte der Umweltschutzorganisation, bei der ersten Automobilwoche Konferenz in München. Elektromobilität wird sich demnach nur langsam entwickeln – und dabei spielen der Markt und die Modellpolitik die entscheidende Rolle – nicht nur die Technik.

"Die größte Gefahr für nachhaltige Elektromobilität geht derzeit von ihren Befürwortern aus“: Diese These vertrat Wolfgang Lohbeck, Greenpeace-Verkehrsexperte, bei der Automobilwoche-Konferenz "Das neue Automobil“. Laut Lohbeck wird Elektromobilität "unseriös und in unverantwortlicher Weise als kurzfristige Option propagiert. Das schadet ihr.“ Die in der Öffentlichkeit vorherrschenden Argumente zur Förderung von Elektroautos seien der Klimaschutz und die Forderung "Weg vom Öl“. Die Glaubwürdigkeit dieser Argumente leide allerdings, wenn sie von den jeweils auf ihrem Gebiet größten CO2-Produzenten komme, von Befürwortern fortgesetzter Kohleverstromung, von engagierten Gegnern niedriger CO2-Grenzwerte oder von einer Regierung, die sich in der EU aktiv für höhere Grenzwerte einsetzt.

Laut Lohbeck emittieren Elektroautos unter derzeit realistischen Bedingungen 1,5 bis zweimal so viel CO2 wie ein konventionelles Kleinauto. Wenn Elektroautos im Vergleich dennoch besser abschnitten, dann sei dies nur möglich durch geschönte Verbrauchswerte und abwegige Vergleiche, die Einbeziehung eines jeweils unterschiedlichen Atomstromanteils oder durch manipulative Zurechnung von Anteilen erneuerbarer Energie (Renewables). Eine echte Überlegenheit der Elektroautos werde erst über die Ausschöpfung des Entwicklungspotentials der Batterien erreicht – verbunden mit Renewables-Anteilen um 50 Prozent und einem CO2-Ausstoß im Mix unter 300 Gramm CO2/kWh. Dies werde, sagte Lohbeck, "nicht vor 2030“ der Fall sein.

"Verschiebebahnhof der Beliebigkeit“

Bei Umgang mit erneuerbaren Energien (REG) gelte derzeit das Prinzip "Linke Tasche – rechte Tasche“, das heißt, bestehende REG-Anteile würden willkürlich zugerechnet – "ein Verschiebebahnhof der Beliebigkeit“, kritisiert Lohbeck. Daran ändere auch eine "Zertifizierung“ nichts. Ein Prozent Anteil an "grünem“ Strom spare nur ein Drittel so viel CO2 ein wie "das ungeliebte Tempolimit". Das Thema der Integration der Elektroautos ins Stromnetz sei "Zukunftsmusik und Wunschtraum der Stromversorger, die mit Mobilität nichts zu tun haben“, so der Greeenpeace-Experte. Der Aufbau einer zusätzlichen Tanksäulen-Infrastruktur stehe einem integrierten Mobilitätskonzept im Wege und große Gemeinschaftsladeeinrichtungen, etwa in Parkhäusern, würden zusätzliche lokale Kraftwerkskapazitäten erfordern.

Konzepte wie "Vehicle-to-grid“, bei dem die Fahrzeuge nicht nur Strom aus dem Netz entnehmen, sondern in Zeiten großer Netzlast auch wieder einspeisen, nannte Lohbeck "Blütenträume der Stromwirtschaft“. Dieses Geschäftsmodell der Stromversorger gehe zulasten der Autobesitzer und sei abhängig von einer Umwälzung aller gewohnten Nutzungs-, Besitz-, und Verfügungsstrukturen. "Der Autofahrer wird quasi in Geiselhaft genommen von den Stromversorgen". Doch Autos seien ungeeignet als Abnehmer und Stabilisatoren fürs Netz, unterstrich der Greenpeace-Experte. "Mobilität und Stromversorgung sind nicht natürliche Partner, sondern zwei Paar Schuhe“ so Lohbeck.

Umgang mit Ressourcen

Ein zentrales Problem bei Thema Elektroautos sei der nachhaltige Umgang mit Ressourcen: "Kurz- und mittelfristig erhöhen Elektroautos den Bedarf an fossilen Brennstoffen“, führte der Greenpeace-Vertreter aus, "und langfristig schaffen sie ein neues Ressourcenproblem, nämlich Lithium“. Lohbeck berief sich auf Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts, wonach die bekannten Lithium-Ressourcen nach 30 bis 40 Jahren erschöpft seien.

Wenig Sympathie bekundete Lohbeck für die verschiedenen Vermarktungsansätze bei Elektroautos. "Strahlt das Produkt nicht ganz so hell, dann braucht man ein Geschäftsmodell", reimte er. Es gelte das Motto: Warme Semmeln verkaufen sich von selbst, für trockenes Brot braucht man eine Strategie. Alle diskutierten Geschäftsmodelle litten unter mangelnder Gebrauchstauglichkeit. Zum Beispiel sei der normale Verkauf von Elektroautos für den Nutzer unattraktiv: "Wer kauft ein Auto, das nicht immer einsatzbereit ist, nur eine geringe Reichweite hat, für dessen Betrieb noch ein Tankvertrag abgeschlossen werden muss und das obendrein das Dreifache kostet und schlecht fürs Klima ist?“

Fehlgeleitete Forschungsanstrengungen

Auch die Rolle als Türoffner zu innovativen Entwicklungen sprach Lohbeck dem Elektroauto ab. Im Gegenteil würden Forschungsanstrengungen fehlgeleitet. "Untaugliche Zwitter aus konventionellem Auto und Elektroantrieb sind kein sinnvoller Forschungsgegenstand". Vielmehr behinderten sie die Forschung zu wichtigen Themen wie der Speichertechnik. Notwendig sei dagegen Forschung für ein Gesamtkonzept zukünftiger Mobilität und nicht eine voreilige Festlegung auf Industrieinteressen.

Der wichtigste Beitrag zur zukünftigen Mobilität sei es, offen zu bleiben für Innovationen und Festlegungen und das "Einrammen von Pflöcken“ zu vermeiden, unterstrich Lohbeck. Als Hemmnisse für zukünftige Mobilität nannte er neben der Fixierung auf das Auto als beherrschendem Träger der Mobilität – unabhängig vom Antrieb – auch eine Dominanz der Stromversorger. Zukünftige Mobilität müsse aus einem integrativen Ansatz entwickelt werden. Einen entscheidenden Ansatz sieht Lobeck im Downsizing "Die Elektromobilität muss kommen, aber anders, als wir heute denken", so der Greenpeace-Experte. "Nicht der Antrieb spielt die entscheidene Rolle, sondern die Größe und Performance des Fahrzeugs".