Fünf Argumente gegen "CO2-freie Kohle-Kraftwerke"

Wer Kohle verbrennt, produziert dabei immer Kohlendioxid.

Wenn überhaupt von CO2-"Freiheit" die Rede ist, dann ist damit gemeint, dass das, was aus dem Schornstein eines Kraftwerkes in die Luft geblasen wird, kein CO2 mehr enthält. Dafür muss das CO2 aber vorher entzogen worden sein und es muss irgendwo gelagert werden. Beiden Techniken – Abscheidung und Lagerung – sind Grenzen gesetzt. Greenpeace setzt sich im Kampf gegen den Klimawandel für die Verringerung des Treibhausgases Kohlendioxid ein, also für die Vermeidung. Erst wenn die Prioritäten in der Energiewirtschaft klar bei der Reduzierung der Treibhausgase und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien liegen, können bestimmte Formen der CO2- Speicherung als zusätzliche Klimaschutzmaßnahme akzeptiert werden. Die Diskussion um vermeintlich CO2-freie Kraftwerke zielt darauf ab, das Verbrennen fossiler Energieträger in die Länge zu ziehen. Diese "Endof-Pipe"-Technologie lehnt Greenpeace ab.

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1. CO2-"freie" Kraftwerke gibt es nicht.
Das gesamte CO2 kann weder vor noch nach der Verbrennung von Kohle oder Gas aufgefangen werden. Eine Restmenge CO2 wird weiterhin in die Atmosphäre entweichen und zum Klimawandel beitragen: Je nach Kraftwerksart zwischen 60 und 150 Gramm Kohlendioxid pro erzeugter Kilowattstunde Strom. Zum Vergleich: Derzeit stößt ein Steinkohlekraftwerk etwa 720 g CO2/kWh aus, ein modernes Erdgaskraftwerk 370 g CO2/kWh.

2. Die CO2-Technik greift zu spät, um dem Klima zu helfen.
• Nationales Klimaschutzziel: 25% CO2-Verringerung bis 2005 (Basisjahr 1990)
• Kyoto-Ziel: 21% Treibhausgas-Verringerung im Zeitraum 2008 bis 2012 (Basisjahr 1990)
• Vorgeschlagenes Ziel: 40% Reduktion bis 2020 (wenn EU 30%-Ziel festschreibt)
• Notwendiges Ziel bis 2050: 80% Verringerung

In Deutschland werden derzeit Kraftwerke mit einer Kapazität von rund 110.000 MW betrieben. Kohlekraftwerke haben einen Anteil von etwa 51 Prozent an der Stromproduktion und verursachen etwa 345 Mio t CO2 pro Jahr, bzw. ca. 41% der Gesamt-Emisssionen Deutschlands.
Aufgrund des hohen Alters vieler Kraftwerke steht in den kommenden zehn Jahren etwa die Hälfte des Kraftwerksparks zur Erneuerung an. CO2-speichernde Kraftwerke befinden sich noch in der Entwicklung und könnten frühestens in 15 bis 20 Jahren zur Verfügung stehen. Das heißt: Sie leisten bis zum Jahr 2020 keinerlei Beitrag zum Klimaschutz.
Für das nationale Klimaschutzziel der Bundesregierung und die Ziele des Kyoto-Protokolls sind sie damit irrelevant.

Auch für das langfristige Ziel 80 Prozent Reduktion bis 2050 bringt die CO2-Technik nichts. Denn wenn sie im Jahr 2020 bereit steht, ist die Modernisierung des deutschen Kraftwerksparks gerade abgeschlossen. Man könnte dann nur noch die bestehenden Kraftwerke nachrüsten und das CO2 aus dem Abgasstrom auffangen. Die effektivere Technik, CO2 bereits vor der Verbrennung abzuscheiden, kann nicht überall nachgerüstet werden.

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3. Für das abgetrennte CO2 gibt es in Deutschland keine ausreichenden Speicher.
Das beim Verbrennen aufgefangene CO2 muss irgendwo untergebracht werden. Das Problem wird – wie bei Atomstrom – nur verlagert. Wohin nun mit dem CO2-Müll?
In über tausend Meter Tiefe soll das Kohlendioxid gelagert werden. Die Enquete-Kommission der Bundesregierung geht von einer relativ gesicherten nutzbaren Speicherkapazität von 2 Mrd. t CO2 in Öl- und Gasfeldern innerhalb Deutschlands aus.
Nach Ansicht von Greenpeace kämen aus Sicherheits- und Umweltschutzaspekten ausschließlich Öl- und Gasfelder als Speicher in Betracht, in denen nicht mehr gefördert wird. Damit verringern sich die Kapazitäten auf etwa 1,2 Mrd. t CO2.
• Ausgeförderte Ölfelder: 81 (incl. Reserven 110) Mio t
• Ausgeförderte Gasfelder: 1170 (incl. Reserven 2560) Mio t
Ein weiteres, enormes, Speicherpotenzial von CO2 gibt es theoretisch in salinaren Aquiferen (salzreiche Tiefenwässer)
– die Schätzungen belaufen sich für Deutschland auf über 16 Milliarden Tonnen.

Doch es gibt eine Reihe von Punkten, die einer Entwicklung in Deutschland entgegen stehen:
Umweltschutz (Gefahr der Verunreinigung von Grundwasser), mögliche Gesundheitsrisiken bei plötzlichem Austritt von CO2, hohe Kosten und Behinderung der Nutzung geothermischer Energie.
In der Nordsee wäre theoretisch eine Speicherung von CO2 in tiefen salinaren Aquiferen denkbar.
Dagegen sprechen aber ebenfalls Sicherheits- und Umweltrisiken und hohe Kosten:
Kohlekraftwerke finden sich überwiegend in Nordrhein-Westfalen, die Transportwege von CO2 an die Nordsee wären extrem weit.

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Wegen zu hoher Sicherheitsrisiken werden die folgenden Speichertypen von Greenpeace als ungeeignet angesehen:
• Stillgelegte Salzbergwerke 30 Mio t CO2
• Stillgelegte Kohlebergwerke bis zu 780 Mio t CO2
• Tiefe Kohleflöze 3100 bis 8300 Mio t CO2

Der Platz zur Lagerung von CO2 würde also sehr schnell knapp werden - selbst wenn man die von der Enquete-Kommission genannten 2 Milliarden Tonnen Speicherpotenzial annimmt.
Der jährliche deutsche CO2-Ausstoß beträgt derzeit etwa 845 Mio t. Ließe sich das gesamte CO2 abscheiden - was technisch nicht möglich ist - wären unsere Speicher in weniger als drei Jahren voll. Berücksichtigt man nur die Industrie, die am Emissionshandel teilnimmt (503 Mio t/Jahr), wären die Speicher in fünf Jahren gefüllt. Sogar, wenn die risikoreichen Aquiferspeicher noch mitgerechnet werden, kommt man nur auf eine Speicherdauer von 23 Jahren für die Industrie, bzw. zwölf Jahre für die gesamten deutschen Emissionen.

4. Die Lagerung von CO2 im Untergrund ist nicht ungefährlich.
Leere Öl- und Gasfelder haben ein Problem: Sie haben viele Löcher. Ursache sind die vielen Bohrungen während der Erkundungs- und Produktionsphase. Diese Löcher müssen versiegelt werden. Üblicherweise werden dafür spezielle Zemente benutzt. Kohlendioxid jedoch ist in Verbindung mit Wasser hoch reaktiv und greift Metalle oder Zemente an. Mit Zement versiegelte Bohrlöcher stellen somit ein Sicherheitsrisiko dar.
Für viele Fachleute ist die Frage daher nicht, ob eine Leckage auftreten kann, sondern wann sie auftreten wird. Aus Mangel an Erfahrung mit CO2-Speichern wird deren Sicherheit häufig mit der von Erdgasspeichern verglichen. Die Technik ist seit Jahrzehnten erprobt und wird von der Industrie als risikoarm eingeschätzt.
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Diese Einschätzung teilt Greenpeace nicht:
Am 23. April 2004 kam es an einem Erdgasspeicher mitten in Berlin zu einem explosiven Austritt von Erdgas. Weitere Unfälle sind bekannt. So zum Beispiel in einem ehemaligen Erdgasspeicher bei Ketzin (Brandenburg), der jetzt in einem Forschungsprojekt als CO2- Speicher dienen wird. Der Unfall führte damals zur Evakuierung eines ganzen Dorfes (Knobloch).
Ein weiterer Gasaustritt ereignete sich 1988 in Bad Lauchstädt nahe der Stadt Halle durch den Bruch einer unterirdischen Pipeline. Die Leckage wurde erst bemerkt, als das Gas an anderer Stelle an der Oberfläche austrat.
Der plötzliche Austritt von CO2 birgt tödliche Risiken. Kohlendioxid ist zwar an sich nicht giftig. Natürlicherweise ist es mit etwa 0,04 Prozent in unserer Atemluft enthalten. Mit steigenden Konzentrationen jedoch nimmt der für uns lebenswichtige Sauerstoffgehalt der Luft ab.
Und das ist die eigentliche Bedrohung. Luft mit Konzentrationen von sieben bis acht Volumenprozent CO2 führt nach 30 bis 60 Minuten zum Tode durch Ersticken. Gesundheitsgefährdungen treten dann auf, wenn große Mengen CO2 explosionsartig frei gesetzt werden. Obwohl sich das Gas normalerweise nach dem Austritt schnell verteilt, kann es sich in landschaftlichen Senken oder in abgeschlossenen Gebäuden anreichern, da Kohlendioxid schwerer ist als Luft. Langsamer und unbemerkter Austritt in Wohngebieten, beispielsweise in Kellern von Häusern, ist daher gleichfalls sehr gefährlich.
Die Gefahren solcher Austritte sind bekannt von natürlichen vulkanischen CO2-Entgasungen.
Ausgasungen am Kratersee Lake Nyos, Kamerun, Afrika töteten 1986 mehr als 1700 Menschen. In der Region von Lazio in Italien starben in den letzten 20 Jahren mindestens 10 Menschen durch CO2-Freisatz.

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5. CO2-Abscheidung lässt den Strompreis steigen
Die (Kohle)-Strompreise werden auch ohne CO2-speichernde-Kohlekraftwerke steigen. Dagegen werden die Preise Erneuerbarer Energien sinken. Nach einer Studie von Greenpeace wird der "Turning-Point", d.h. der Moment in dem Erneuerbare Energien billiger werden als fossile Energien, spätestens 2030 erreicht werden.
Aufgrund der weltweit steigenden Nachfrage nach Rohstoffen sind kräftige Preisanstiege bereits heute spürbar (aktuelles Beispiel Öl).
Die zusätzlichen Kosten der CO2-Speicherung hängen von vielen Faktoren ab: Abtrenntechnologie, Transport, Art des Speichers, etc.. Experten des Zwischenstaatlichen Gremiums für Klimafragen der UN (IPCC) rechnen mit zusätzlichen Kosten zwischen 3,5 und 5,0 Cent/kWh Strom. Da heutige Kohlekraftwerke in Deutschland nicht in der Nähe potentieller CO2-Speicher liegen, würden die Kosten durch längere Transportwege (Pipelines oder LKW) vermutlich eher am oberen Ende liegen. Das heißt: Diese Technik würde die heutigen Stromkosten mehr als verdoppeln. Dann aber wären die meisten Erneuerbaren Energien schon heute konkurrenzfähig.

Die Preise steigen mit der Speicherung von CO2 (CCS). Die Vermeidungskosten von CO2 liegen für bestehende fossile Kraftwerke derzeit bei Null, da die Emissionszertifikate derzeit kostenlos zugeteilt werden. Beim Neubau von Braunkohlekraftwerken könnte ein Zukauf (und damit ein Preisanstieg) notwendig werden.
Fazit: CO2 nicht vergraben, sondern vermeiden!
Dass Kohle klimafreundlich genutzt werden kann, ist ein Märchen. Die Industrie darf der zukünftigen Generation nicht einen Kohlendioxid-Abfall vererben, der aufwändig überwacht und gesichert werden muss. Anstatt Kohlendioxid erst zu erzeugen und dann irgendwo zu lagern, muss endlich die Erzeugung massiv verringert werden – durch den Ausbau Erneuerbarer Energien wie Sonne, Wind und Wasser.