Stahlanker müssen Gipfel des Sonnblicks sichern
von CLAUDIA LAGLER (Die Presse) 11.08.2006

Konkrete Beispiele der Klimaänderung:

Wasser dringt in zerklüftetes Gestein, Felsen werden destabilisiert - Stahlanker und große Betonblöcke als Sicherungsmaßnahmen.

Am Gipfel des Sonnblicks in 3105 Metern Seehöhe ist selbst für Laien deutlich sichtbar, dass die wärmeren Temperaturen den Bergen zusetzen. "Vor einigen Jahren sind größere Felsen abgebrochen", schildert Michael Staudinger, Leiter des Sonnblick-Observatoriums, im Gespräch mit der "Presse".

Der Grund: Die Permafrostgrenze steigt. Ein Gemisch aus Schutt, Sand und Fels - vom Eis über Jahrhunderte wie Kitt zusamengehalten - wurde locker, der Gipfel begann zu bröckeln. Dazu kommt, dass durch das stark zerklüftete Gestein Wasser eindringt und verstärkt Frostabsprengungen auftreten.

Ohne Gegenmaßnahmen wären die bedeutende Wetterstation und das Zittelhaus auf dem Sonnblick-Gipfel irgendwann in ernsthafte Gefahr geraten. Im Jahr 2002 begann die Sanierung, die mittlerweile abgeschlossen ist: Zwischen sechs und zehn Meter lange Stahlanker wurden in den stabilen Felskern geschraubt. Dazu kommen Betonbalken, die mit ihrem Gewicht die lockeren Teile zusammenhalten. Rund 600.000 Euro hat die Sanierung des Sonnblickgipfels gekostet.

Wie massiv sich der Anstieg der Grenze von dauernd gefrorenem Boden (Permafrost) auswirkt, können Wanderer auch tagtäglich im Salzburger Obersulzbachtal beobachten: Die Straße zur Postalm und damit der Salzburger Zugang ins Großvenediger-Gebiet ist mehrere Meter mit Fels, Geröll und Schutt verlegt. Im Bereich des Sattelkars in 2500 Metern Seehöhe ist durch den Klimawandel eine Felsmasse von rund 150.000 Kubikmetern in Bewegung geraten.

Hausgroße Felsbrocken stürzen ins Tal. "Es kommt laufend etwas herunter", erzählte Trude Pichler, die Wirtin der Postalm: "Am Anfang haben wir uns gefürchtet, aber mittlerweile sind wir an die Abgänge gewöhnt."

Seit Monaten tragen die Wirtsleute alles, was sie im Gasthof benötigen, zu Fuß hinauf. Der Fußweg in das Gebiet wurde mittlerweile neu angelegt und ist für Wanderer, Fußgänger und die Almleute benutzbar.

"Im Herbst wird mit den Bauarbeiten zur Verlegung der Straße begonnen", sagte der für den Katastrophenfonds zuständige Landesrat Sepp Eisl (VP) im Gespräch mit der "Presse". Neue Weg- und Routenverläufe, veränderte Übergänge von Fels zu Eis oder erhöhte Steinschlaggefahr sind Zeichen dafür, wie der Klimawandel sich auf den Alpinismus auswirkt. So geben laut einer aktuellen Untersuchung des Umweltdachverbandes mehr als 60 Prozent der befragten Bergführer an, dass sich die Routen veränderten.

So wird beispielsweise aus Sicherheitsgründen der Anstieg zur Erzherzog-Johann-Hütte (Adlersruh') am Großglockner über das Hofmannskees von einigen Bergführern nicht mehr begangen. Auch die Pallavicini-Rinne, die Nordwestwand auf das Wiesbachhorn oder der Fuscherkarkopf wurden in der Umfrage als Routen genannt, die gemieden werden.

Vor allem kombinierte Touren sind betroffen, weil die Übergänge von Fels zu Eis für die Alpinisten anspruchsvoller werden. Dass sich die Steinschlag- und Spaltengefahr erhöht, zeigen Unfälle wie jener in den Ötztaler Alpen, wo zwei Deutsche nach einem Spaltensturz vermisst werden.