Sag niemals nie!
Quelle:Ernst Scheiber; ökoenergie 70/2008

Mit allem hat Andris Piebalgs in der EU-Kommission gerechnet, nur dass ihm in seiner Funktion als Energiekommissar bei der Erarbeitung der Richtlinie für erneuerbare Energien just Österreich die größten Knüppel vor die Füße werfen würde, war ein starker Tobak. Auch Belgien legte sich massiv quer, doch das war zu erwarten. Auch Dänemark bekleckerte sich nicht gerade mit Ruhm.

Dass jedoch Österreich bei den erneuerbaren Energien die Bremsen bis zum Blockieren anziehen würde, war in keiner wie immer gearteten Weise zu erwarten.
Warum denn auch? Hatten doch Gusenbauer und Molterer auf Empfehlung von Josef Pröll in ihrer Regierungserklärung ambitionierte 45 Prozent erneuerbare Energien als Ziel für 2020 paktiert. Offensichtlich ist diese Regierungserklärung im Bereich der Energiepolitik aber das Papier, auf dem sie steht, nicht wert. In Brüssel nämlich legen sich Wirtschaftsministerium und Teile der Wirtschaft in agressiver Manier quer und zogen alle Register, um die Inhalte des Regierungsübereinkommens zu bagatellisieren.

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Eine Chuzpe sondergleichen, jedoch haarscharf passend in eine Politstrategie, die unterscheidet zwischen den Sonntagsreden Einzelner in Österreich und fiser Querbraterei derselben in Brüssel. Nun, die Bremser vom Dienst haben es tatsächlich geschafft, Österreichs Vorgabe für das Erste auf 34 Prozent zu reduzieren. Nur der Ordnung halber sei erwähnt, dass das schwedische Soll für erneuerbare Energien bis 2020 mit 49 Prozent festgeschrieben wurde.

Doch die Peinlichkeit kommt erst dann im vollen Umfang zum tragen, wenn sich nämlich herausstellt, dass es selbst zur Erreichung der reduzierten EU-Vorgaben keinen Ansatz einer nationalen Energie-Strategie gibt, wie Franz Fischler und Heinz Kopetz übereinstimmend diagnostizieren.

"Die österreichische Energiepolitik zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass es sie nicht gibt."

Österreich hat mit der aktuellen Energie- und Klimapoltik nicht den Funken einer Chance, die EU-Vorgaben zu erfüllen. Selbst die Umsetzung der bescheidenen Direktive würde einen Paradigmenwechsel in der Energiepoltik erfordern. Bleibt alles beim Alten, so würde nach dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung der Primärenergieverbrauch auf 1.750 Petajoule steigern, der Beitrag der Erneuerbaren würde sich auf 400 Petajoule belaufen.
Um wenigstens den 34-Prozenter zu erreichen, muss der Verbrauch im Gesamten unter 1.500 Petajoule bleiben (derzeit halten wir bei 1.440 Petajoule) und der Beitrag der Erneuerbaren muss von derzeit 305 auf 500 Petajoule steigen. Das heißt im Klartext, die Fossilen müssten spürbar vom Markt gedrängt werden. Um in der EU der 27 die angepeilten 20 Prozent Erneuerbare gepaart mit 20 Prozent CO2-Reduktion bis 2020 zu realisieren, bedürfte es eines Quantensprungengs in Richtung eines fundamentalen Umbaus der Energie- und Umweltpolitik. Effizient und erneuerbar, so müsste die Devise lauten.

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Die alles entscheidenden Fragen für Europa werden sein:
Gewinnen die mit fruchtbaren Regulativen wie zum Beispiel dem deutschen Erneuerbare-Energie-Gesetz oder verschütten Netzwerker mit Energie-Uraltstrategien - wie der deutsche Energieminister Michael Glos in Allianz mit dem Gazprom-"Laufburschen" Gerhard Schröder - die Zukunft unserer Kinder und Enkel? Siegen jene, die auf Energiegewinnung in Form der Nutzungvon Wind, Biomasse und Photovoltaik mit heimischer Wertschöpfung und mit positiven Klimaeffekten setzen, oder können die Fossil- und Atomenergie- befürworter den Ausverkauf Europas an Putin und die Ölmagnaten im Nahen Osten prolongieren.

Wann beginnen die Zukunftsverhinderer zu begreifen, dass europäische Wirtschaft und Banken längst von russischen Staatsinvestoren und Ölscheichs unterwandert werden? Angebohrt mit just jenen Milliarden, die ihneneuropäische Wirtschafts- und Energiepolitiker bereitwilligst am Silbertablett servieren, weil genau sie die Forcierung der erneuerbaren Energien in Europa fahrlässig verhindern. Weil sie leugnen, dass die Ausgaben für erneuerbare Energien in der Region zirkulieren und dadurch für zusätzliche Wertschöpfung sorgen.
Apropos Ausverkauf. Nicht nur Russen und Saudis werden künftig die europäische Wirtschaft dominieren, auch China hat sich längst in Europa positioniert - so mit Standfesten in Rumänien, Deutschland und Italien.

Europäische Wirtschafts- und Energiepolitiker müssen umdenken. Ihr Allheilmittel kann nicht darin liegen, kurzfristig Millionen für den Ausbau erneuerbarer Energien zu sparen und dafür mittel- bis langfristig Milliarden für das bisherige Nichtstun und den künftigen Ankauf von CO2-Zertifikaten zu verplempern. Österreich darf sich seiner Verantwortung in der Energie- und Umweltpolitik nicht entziehen. Es darf sich nicht drücken, wenn es um die Erarbeitung und Umsetzung einer nationalen Energie- und Klimastrategie geht. Dazu muss sich auch eine ökosoziale Steuerreform gesellen - mit der Entlastung des Faktors Arbeit und einer kräftigen Belastung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas.

Fatales Resümee: Lässt man alle Versäumnisse Österreichs in der Energie- und Umweltpolitik Revue passieren und registriert frustriert die scheinbare Interesselosigkeit der verantwortlichen Player bei der Verbesserung der Energieeffizienz und der Forcierung erneuerbarer Energien, beschleicht einen der böse Verdacht, dass für manche Atomenergie in Österreich nicht zur Gänze und für immer und ewig vom Tisch ist, sondern möglicherweise hinter verschlossenen Türen umso emsiger diskutiert wird.