Ökostromgesetzesnovelle auf dem Prüfstand
Quelle: APA vom 29.3.2011

Begutachtungsentwurf muss radikal überarbeitet werden

Vor einer Woche hat Wirtschaftsminister Mitterlehner im Windschatten der Atomdebatte den Entwurf zum Ökostromgesetz in Begutachtung geschickt und kämpft seither mit heftigem Gegenwind: Nicht nur Ökoenergieverbände üben massiv Kritik, auch die politische Opposition legt sich quer. "Zu Recht, denn die Novelle bringt in Sachen Erneuerbare mehr Rück- als Fortschritte und verpasst die große Chance auf eine echte Energiewende. Das Ziel, Ökostrom zum Durchbruch zu verhelfen, eine zukunftsfähige Energieversorgung zu garantieren und Österreich atomstromfrei zu machen, wird mit diesem Entwurf ganz klar verfehlt. Statt ausreichend dotierte Töpfe, Planungssicherheit und Kontinuität zu schaffen, hat Mitterlehner bloß die Wirtschaftslobby bedient", sagt Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes.

Ökostromgesetznovelle dreht Sonnenstrom endgültig ab

Der vorgesehene Ausbau der Windkraft bis 2015 von 700 MW entspricht nicht den verbindlichen Zielen des Nationalen Aktionsplans für Erneuerbare Energien. Für Photovoltaik wird gar kein Ausbauziel festgelegt. Österreich schafft jährlich durch den Klima- und Energiefonds (30 MWp) und durch das Ökostromgesetz (derzeit 7 MWp, danach ca. 10 MWp) nicht einmal ein Fünfzigstel dessen, was die Bayern im Jahr 2010 geschafft haben (2.400 MWp).

Energiewende auf den St. Nimmerleinstag verschoben

"Dabei wäre die österreichische Photovoltaikwirtschaft in der Lage, bis 2020 8 % des in Österreich benötigten elektrischen Stroms aus Sonnenlicht bereit zu stellen und damit jeden Atomstromimport zu erübrigen", stellt Hans Kronberger vom Bundesverband Photovoltaic Austria (PVA) fest. "Die dafür erforderliche installierte Leistung wäre ungefähr so hoch wie jene, die Deutschland allein im Jahre 2010 errichtet hat, nämlich 7 GWp. Mit dem vorliegenden Entwurf ist in Österreich die Sonne untergegangen bevor sie aufgegangen ist. Die Anhebung der jährlichen Tarifförderung von 2,1 Mio. auf 3 Mio. Euro ist ein Tröpfchen auf einem heißen Stein. Damit ist eine wirtschaftliche Errichtung für Qualitätsanlagen nicht möglich. In Zukunft soll ein Überstau dadurch vermieden werden, dass nach Entleerung des jährlichen Topfes ein Antragsverbot bestehen soll. Damit wird jede Planung unmöglich", so Kronberger.

Eckpunkte für ein zukunftsorientiertes Ökostromgesetz:
100 % erneuerbar bis 2020

"In einem zukunftsfähigen Ökostromgesetz muss verankert werden, dass Österreich bis 2020 zu 100 % aus erneuerbaren Energien versorgt wird. Die Auszahlung von öffentlichen Fördermitteln muss an Naturverträglichkeit und ökologische Kriterien gebunden sein. Außerdem gilt es, stabile Rahmenbedingungen für AnrainerInnen, Investoren und Produzenten zu schaffen", erklärt Heilingbrunner.

Inakzeptabler Lobbyismus muss geprüft werden

"Zudem liegt die Vermutung nahe, dass in Wahrheit die WKÖ und die IV die Gesetze für den Wirtschaftsminister schreiben. Das ist inakzeptabler Lobbyismus, der einer ordnungsgemäßen Plagiatsprüfung nicht standhalten würde. Es ist einfach untragbar, dass Gesetzesentwürfe, die in wesentlichen Punkten von den Kammern stammen, unkritisch übernommen und - auch mit Hilfe rückwärtsgewandter Handlanger in der e-control - in eine Regierungsvorlage münden", so Heilingbrunner.

Industrie schiebt Belastung auf KonsumentInnen

Zusätzlich zur Zählpunktpauschale sollen zwei Drittel der Belastungen über den neu geschaffenen Ökostromförderbeitrag getragen werden. 8 von 10 Euro zahlen hier die KonsumentInnen und das Gewerbe, während die energieintensive Industrie nur knappe 2 Euro zahlt. Damit wird der alten Forderung der WKÖ Folge geleistet, eine Ausdehnung der Netzebenendifferenzierung bei den Förderbeiträgen zu garantieren. "Ein gesellschaftspolitisch bedenklicher Lobbyingerfolg der IV und der WKÖ", betont Heilingbrunner.

Schwere Mängel des Entwurfs beheben, stabile Rahmenbedingungen schaffen

Zur Verabschiedung der Ökostromnovelle ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat notwendig. Das Erreichen dieser Mehrheit ist fraglich, da sich Grüne, FPÖ und das BZÖ bereits klar gegen den Entwurf ausgesprochen haben. "Unser Appell richtet sich jetzt an alle Abgeordneten: Sagen Sie Nein zu diesem Begutachtungsentwurf!", so Heilingbrunner und Kronberger abschließend.